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"Wir sind uns alle sehr sicher, dass das nächste Album verdammt gut wird. Uns ist bewusst, dass wir ein großartiges Album abliefern müssen, und genau das werden wir tun!"
Interview mit Roger Glover, 28.8.2002, Köln

von Andree Schneider

Im Anschluss an das Konzert in Gelsenkirchen traf ich in einem Kölner Hotel auf einen vollkommen übermüdeten Purple-Bassisten, der laut eigener Aussage seit ungefähr drei Tagen nicht mehr geschlafen hatte. Er erzählte mir von dem Wahnsinnstrip, den er und Steve Morse hinter sich hatten. Die beiden wollten sich eigentlich in aller Ruhe auf dem J.F.K.-Flughafen in New York treffen und gemeinsam Richtung Deutschland abheben. Dummerweise hatte aber Steve`s Flieger Verspätung (wäre er mal besser selber geflogen!). Als er dann endlich landete, fing ihn Roger auch gleich ab und beide rannten quer über den riesigen Flughafen. Leider kamen sie aber eine Minute zu spät, denn ihr Flugzeug rollte gerade auf die Rollbahn... Das Ende vom Lied war, dass die beiden erst zwei Stunden vor der Show ihre Füße auf deutschen Boden setzten.
Umso höher rechne ich es Roger an, dass er sich trotzdem wieder viel Zeit nahm und in aller Ruhe meine zum Teil gar nicht mal so unkritischen Fragen beantwortete.

AS: Zunächst einmal Herzlichen Glückwunsch zu "Snapshot". Das Album ist wirklich brilliant und gefällt mir ausgesprochen gut. Unterschiedliche Stile, tolles Songwriting - halt ein typisches Roger Glover-Album. Du musst sehr zufrieden sein...
Roger Glover live in Köln, 28.8.2002RG: Vielen Dank! Hätte ich selbst nicht besser sagen können (lacht). Ich bin sehr glücklich mit dem Album. Einige der Songs existieren schon lange und ich hatte schon seit geraumer Zeit den Wunsch, etwas daraus zu machen. Da gab es aber immer das Problem mit meiner Stimme. Es wäre toll, wenn ich singen könnte, aber ich mag meine Stimme überhaupt nicht. Irgendwann realisierte ich dann, dass die Leute, die ich persönlich gerne singen höre, über keine gute Stimme verfügen, wie z.B. Bob Dylan, Ry Cooder oder Randy Newmann. Sie haben wirklich fürchterliche Stimmen und trotzdem liebe ich sie. Obwohl diese Leute merkwürdige Stimmen haben, die man im Allgemeinen nicht gerade als ideal bezeichnen würde, haben sie dennoch auf Grund ihrer Persönlichkeit das gewisse Etwas. Weil ich das bei meiner Stimme nicht erkennen kann, musste ich mir also einen Sänger suchen, was allerdings sehr schwierig war. Wenn man nach einem Sänger sucht, findet man in erster Linie Session-Sänger, die eine geschulte Stimme haben und jeden noch so schwierigen Ton erwischen. So jemanden wollte ich aber nicht. Ich suchte jemanden mit einer eigenen Persönlichkeit. Eines Tages hörte ich dann Randall Bramblett`s Stimme, die voll, warm, breit, bluesig und ausdrucksstark klingt. Wir trafen uns, kamen auf Anhieb super miteinander klar und schrieben auch gleich einige Songs zusammen. Randall ist ein sehr liebenswerter Typ und seine Stimme inspirierte mich, weitere Songs zu schreiben. Das Album ist dann auch unheimlich schnell entstanden. Rechnet man alles zusammen, kommt man insgesamt auf ungefähr drei Wochen Studioaufenthalt. Allerdings hat es drei Jahre gedauert, ehe wir die drei Wochen zusammen hatten...
AS: In welchem Studio habt ihr aufgenommen?
RG: In den Acme Studios in Mamaroneck, New York. Dort habe ich auch die Anniversary-CDs von "Machine Head" und "Who Do We Think We Are" abgemischt. Ein sehr kleines und unscheinbares Studio. Von außen kann man es gar nicht als solches erkennen. Du gehst durch eine schwarze Seitentür die schmale Treppe hinunter und da ist es dann plötzlich. Aber der dort tätige Tontechniker Peter Denenberg ist absolut erstklassig. Er war sehr wichtig für das Album, weil sich der Aufnahmeprozess Dank ihm so einfach gestaltete. Es war so toll für mich, mal nicht der Produzent zu sein, sondern einfach nur derjenige, der zur Akustikgitarre einen Song singt und ihn seinen Mitmusikern vorstellt. Sobald wir den Song einige Male gespielt hatten und die Arrangements klar waren, haben wir ihn aufgenommen. Da war niemand, der sagte: "Kannst Du die Bassdrum nochmal spielen, und nochmal, und nochmal... Und jetzt nochmal das Standtom, und nochmal...". Wir haben nicht so viel Aufhebens darum gemacht und die Mikrofon-Positionen wie ansonsten üblich wieder und wieder verändert. Wenn wir bereit waren aufzunehmen, dann haben wir es einfach durchgezogen. Das machte die ganze Angelegenheit sehr einfach und angenehm. Am ersten Studiotag haben wir fünf Songs aufgenommen, "Burn Me Up Slowly", "Nothing Else", "What You Don`t Say" und ... den Rest habe ich leider vergessen. Nach diesen fünf Songs war dann auch erst einmal für anderthalb Jahre Pause angesagt. Dann fand ich endlich wieder Zeit und wir haben binnen einer Woche die anderen Songs aufgenommen. Deshalb heißt das Album auch "Snapshot" (Schappschuss).
AS: Wie angekündigt ist es ein sehr emotionales Album geworden. Du hast sicher eigene Erfahrungen in den Songs verarbeitet...
RG: Ja, zumindest in einigen Songs. Alle Songs haben mit dem Leben zu tun, aber nicht alle mit meinem Leben. Das vergangene Jahr war ein sehr emotionales Jahr und - um ehrlich zu sein - kein tolles Jahr für mich. Ich hatte viele private Probleme zu bewältigen und einiges davon spiegelt sich auf dem Album wieder.
AS: Der Name deiner Band ist etwas merkwürdig. Warum "The Guilty Party"?
RG: Zum einen weil der Name einfach gut klingt. "Glover`s Guilty Party" - das hört sich doch prima an, was auf die beiden G`s zu Beginn der ersten Worte zurückzuführen ist. Ich habe noch heute in der Zeitung gelesen, dass es eine Firma gibt, die sich darauf spezialisiert hat, Markennamen für Produkte zu finden. Je nachdem um was für ein Produkt es sich handelt, muss der Name hart oder weich ausgesprochen werden. Ein guter Name ist sehr wichtig, um ein Produkt zu verkaufen.
Zum anderen wollte ich einen Bandnamen haben, weil meine Name nicht alleine auf dem Cover stehen sollte. Ich fühle mich als Frontman nicht wohl, möchte lieber Teil einer Band sein. Klar bin ich in Wahrheit der Frontman auf dem Album, aber ich wollte dennoch das Gefühl haben, einer Band anzugehören. Also brauchten wir einen Namen.
Außerdem wollte ich nicht den gleichen Fehler machen, den ich seinerzeit mit Ronnie James Dio begangen habe. Als wir "The Butterfly Ball" aufgenommen haben, sang er auch auf der Single "Love Is All". Für diesen Song bekam er seine erste Goldene Schallplatte, ich glaube in Holland oder Frankreich war das. Auf der Single stand aber genauso wie auf dem Album nur "Roger Glover & Guests". Ronnie Dio`s Name stand dort nicht, obwohl er auf diesem Song sang. Viele Jahre später erzählte er mir, dass ihm das damals sehr wehgetan hat. Dabei war sein Mitwirken an dem Song so wichtig und ich muss eingestehen, es nicht entsprechend gewürdigt zu haben, zumindest nicht für die Öffentlichkeit. Als er mir das sagte, habe ich mich richtig mies gefühlt. Deshalb wollte ich den Fehler bei der Zusammenarbeit mit Randall Bramblett kein zweites Mal begehen. Randall´s Mitwirken auf "Snapshot" ist so wichtig wie Ronnie`s Mitwirken auf "The Butterfly Ball". Und deshalb steht auch Randall`s Name auf der Frontseite des Albums.
AS: Mein Lieblingssong auf "Snapshot" ist "The Bargain Basement", der Song, auf dem deine Tochter Gillian sing. Sie hat eine wunderbar kräftige und gleichzeitig auch warme, angenehme Stimme. Vor einigen Jahren hast du das "Gillan & Glover"-Album aufgenommen. Wie wäre es, mal ein "Gillian & Glover"-Album aufzunehmen?
Roger Glover live in Köln, 28.8.2002RG: - lacht - Die Ironie ist, dass Ian Gillan von 80% der Leute mit "Gillian" angesprochen wird. Und ihn kotzt das wirklich total an. - Gelächter - Und das passiert rund um den Globus. - "Ahhh, Mr. Ian Gillian, hello..." - Gelächter -
AS: Die Deutschen setzen häufig noch einen drauf. Sie sprechen meistens auch den Vornamen falsch aus und sagen nicht Ian (also "Ijen"), sondern Eiän - Gelächter -
RG: Ja, stimmt. Das ist traurig, denn ein Name ist nun einmal ein Name. Ich meine, es ist eine Sache des Respekts, den richtigen Namen zu kennen. Aber zurück zu Deiner Frage - ob ich ein Album mit meiner Tochter machen sollte? Ja, das wäre wirklich wunderbar und wird hoffentlich eines Tages geschehen.
AS: Arbeitet Gillian weiterhin an ihrer eigenen musikalischen Karriere?
RG: Ja, zur Zeit ist sie in einer Band Namens Revolver. Ich mag den Namen nicht. Gemeint ist mit Revolver übrigens nicht die Handfeuerwaffe, sondern der Name entstammt dem Begriff "revolve", sich drehen. Sie hat viel Spaß mit der Band und lernt, was es heißt, in einer Band zu sein. Natürlich gibt es da auch Konflikte. Sie lernt nun, wie man mit so etwas umgeht, und das ist gut für sie. Aber sie ist sehr glücklich. Erst vor einigen Tage habe ich mit ihr gesprochen. Die Band war zu dieser Zeit im Studio und sie klang sehr zufrieden, was mich natürlich gefreut hat.
AS: Dein Vater hat das "Snapshot"-Cover-Foto geschossen, das dich im Alter von vier Jahren zeigt. Sorry, aber ich bin nicht auf dem Laufenden. Leben Deine Eltern eigentlich noch?
RG: Ja.
AS: Für einen so beschäftigten Musker wie du es bist muss es schwierig sein, seine Eltern häufig zu sehen. Außerdem lebst du in Amerika. Hast du keine Problem mit der Distanz?
RG: Ja, natürlich ist das ein Problem. Aber wir sind mit dieser Situation quasi aufgewachsen, denn ich lebe ja schon seit ungefähr 23 oder 24 Jahren in Amerika. Meine Eltern haben sich scheiden lassen, mein Vater lebt in Spanien und meine Mutter in England und wir sehen uns nicht so oft wie wir gerne würden, was speziell für meinen Vater gilt. Ich habe ihn in Spanien einige Male besucht. Meine Mutter steht jetzt, während wir hier sitzen, wahrscheinlich am J.F.K.-Flughafen, um zurück nach England zu fliegen. Sie und die Mutter meiner Frau waren in den vergangenen drei Wochen bei uns zu Besuch. Ich hatte in dieser Zeit ja Urlaub und es war sehr schön.
Ich habe zwar ein Problem mit der Distanz, aber ich bin Musiker in einer Band und da gehören große Distanzen nun einmal dazu. Noch belastender ist allerdings die Situation, wenn man - wie ich - Kinder hat. Natürlich möchte man vermeiden, dass die Kinder sagen: "Oh, mein Vater war nie da, er hat nur gearbeitet." Ich muss leider einräumen, dass das bei mir zum Teil so war. Aber damit mussten und müssen sie bei meinem Job leider leben.
AS: Aber wenn du mal zu Hause bist, dann aber auch den ganzen Tag lang.
RG: Ja, absolut richtig. Und dann gibt es immer viel zu tun für mich. Einkaufen, Staubsaugen usw.
AS: Mit der Band unterwegs zu sein muss dagegen doch wie Urlaub sein... - Gelächter -
RG: Meine Frau sagt das auch immer. Und ich sage dann: "Nein, dass ist Arbeit!" Aber sie hat Recht...
AS: Wirst Du auf Tour gehen, um das Album zu promoten?
RG: Ich würde mit den Songs sehr gerne auf die Bühne gehen. Aber bislang ist nichts in dieser Richtung geplant. Die Plattenfirma hat mal vorgeschlagen, irgendwo einen großen Club-Gig zu spielen oder vielleicht auch eine kleine Club-Tour zu machen. Aber ich habe nichts mehr davon gehört. Jeder, der auf dem Album spielt, wäre bestimmt sofort mit dabei. Für alle Beteiligten waren die Aufnahmen eine großartige Erfahrung und sie würden wahnsinnig gerne live damit auftreten. Aber ob und wann das passieren wird? Keine Ahnung...
AS: Ich möchte Dir nun noch einige Fragen zu Deep Purple stellen. So wie ich Dich kenne, war es bestimmt eine sehr schmerzhafte Erfahrung, als Jon die Band verlassen hat...
RG: Ja und Nein. Natürlich tut es weh, wenn ein Freund die Band verlässt. Aber es war auch gut, weil diese Entscheidung schon seit einigen Jahren in der Luft hing. Als Jon "Pictured Within" aufgenommen hat, war er mit dem Kopf mehr mit seiner Musik als mit der Musik der Band beschäftigt. In dieser Zeit haben wir "Abandon" aufgenommen. Dann kam die Concerto-Sache und wir haben uns wirklich alle sehr für Jon gefreut. Die Proben zum Auftritt in der Royal Albert Hall und die Auftritte selbst waren sagenhaft, pure Magie. Das Concerto 30 Jahre später noch einmal aufzuführen muss für Jon eine tolle Erfahrung und ein großer persönlicher Triumph gewesen sein. Speziell, weil er einige Dinge von damals, die seiner Meinung nach nicht in Ordnung waren, noch korrigiert hat.
Auch ohne dass es konkret ausgesprochen wurde, konnte man aber spüren, dass Jon`s Ausstieg bevor stand. Er ist schon längere Zeit unglücklich mit seiner Situation gewesen. Und als er uns schließlich mitteilte, dass er aussteigen wird, sagten wir: "Gut." Es war tatsächlich gut, weil es ein netter, ein passender Abschied war. Jon hätte auch nichts anderes als das verdient gehabt, denn er ist ein phantastischer Mensch. Es ist sein Leben und wir müssen seine Entscheidung respektieren. Wenn es auch sehr schwer für uns war, so hat es aber doch die Luft gereinigt. Jetzt können wir uns wieder neu orientieren.
AS: Habt Ihr auch darüber diskutiert, die Band nach Jon`s Ausstieg aufzulösen oder stand das nie zur Debatte?
RG: Das stand nie zur Debatte! Daran haben wir noch nicht einmal einen Gedanken verschwendet.
AS: Im nachhinein betrachtet wäre die Concerto-Tour ein würdigerer Abschluss für Jon gewesen, meinst Du nicht auch?
RG: Hmmm, nein, wer konnte das damals schon voraussehen? Natürlich war uns zu diesem Zeitpunkt schon bekannt, dass er nicht mehr so viel herumreisen und mehr Zeit für sich haben wollte, und über der ganzen Tour lag ein Fragezeichen. Wir haben uns gefragt, wie es wohl weitergehen wird. Aber man kann jetzt nicht herkommen und im nachhinein sagen, es wäre besser gewesen, wenn Jon damals bye-bye gesagt hätte. Das Leben läuft ohnehin immer weiter, unabhängig davon, ob Jon früher oder später ausgestiegen wäre.
AS: In welcher Form wird Jon bei der England-Tour dabei sein? Wird er nur als Gastmusiker bei einigen Songs auftreten oder während des kompletten Konzertes spielen?
Roger macht eine kleine Pause während des Keyboard-Solos, Köln, 28.8.2002RG: Das erste Konzert in England ist am 6. September. Das letzte Konzert in Deutschland ist am 4. September. Am 5. September treffen wir uns mit Jon zum Essen. Dann werden wir gemeinsam besprechen wie das in England ablaufen wird. Wahrscheinlich werden beide Seiten unterschiedliche Ideen haben, aber Jon hat akzeptiert, als Gast aufzutreten. Auch Don hat zugestimmt, was zeigt, dass er ein großes Herz hat. Es ist eine schwierige Situation. Jon`s letzte Tour mit Deep Purple musste leider abgebrochen werden. Wir wussten übrigens, dass es seine letzte Tour mit uns sein würde, haben es aber dennoch bewusst nicht angekündigt. Es sollte trotz allem eine ganz normale Tour für uns sein. Es war natürlich eine Schande, dass wir die Tour krankheitsbedingt nicht zu Ende bringen konnten. Anschließend haben wir einige Tourneen mit Don durchgezogen. Wir würden uns deshalb jetzt nicht gut dabei fühlen, Don wieder einige Tag frei zu geben und die England-Tour komplett mit Jon zu absolvieren. Jon hat nun einmal die Band verlassen und die Band hat - bei allem Respekt für Jon - entschieden, auch ohne ihn weiterzumachen. Wir haben jetzt eine andere Besetzung - Don ist unser Keyboarder und Jon ist unser Gast. Ich hoffe, dass es großartig funktionieren wird. Die beiden akzeptieren sich, was eine gute Voraussetzung ist. Es wird sicher eine sehr nostalgische Angelegenheit werden, was eigentlich nicht geplant war. Die Leute werden kommen, um bei Jon`s letzter Tour dabei gewesen zu sein. Wir machen diese Aktion sicher nicht aus kommerziellen Gründen. Das haben wir schon bei der abgebrochenen England-Tour im Frühjahr nicht getan. So etwas ist nicht unsere Sache.
AS: Wird Jon am nächsten Studio-Album von Deep Purple mitwirken?
RG: Die Antwort weiß ich noch nicht. Ich könnte meine Meinung hierzu sagen, aber das bringt uns nicht weiter.
AS: Und was für eine Meinung hast du? - Gelächter -
RG: Wir haben zu diesem Thema unterschiedliche Meinungen in der Band, was nicht ungewöhnlich ist, denn so ist das nun einmal in einer Band. Hier entscheidet nicht einer alleine und wir respektieren, wenn jemand eine andere Meinung hat. Meine Meinung ist nur eine von fünf. Wir hatten einige Sessions mit Jon, um Songs für`s neue Album zu schreiben. Es sind einige wirklich sehr gute Sachen dabei, die dir bestimmt gefallen würden. Ob davon etwas auf dem Album landet und ob es dann Jon ist, der sie einspielt, kann ich wirklich noch nicht sagen. Ich persönlich hätte Jon gerne als Gast auf dem nächsten Album dabei, aber ich kann auch die andere Seite verstehen.
AS: Warum spielt ihr auf dieser Tour nicht mehr den neuen Song "Up The Wall"?
RG: Weil wir der Meinung sind, dass der Song noch nicht fertig ist.
AS: Weltweit warten Deep Purple-Fans auf neues Material. Wann werdet ihr denn nun ins Studio gehen?
RG: Mitte Oktober.
AS: In diesem Jahr? - Gelächter -
RG: Ja, in diesem Jahr, und zwar in Los Angeles. Wir werden mit dem Produzenten Michael Bradford zusammenarbeiten. Ein sehr netter Typ übrigens.
AS: War das deine Idee, mit Michael Bradford zusammenzuarbeiten?
RG: Nein, das war Michael`s Idee! Er möchte unbedingt unser Produzent sein. Wir haben ihn nicht angesprochen. Er ist von sich aus auf uns zugekommen und das kann nur gut sein.
AS: Letztes Jahr hast du mir begeistert erzählt, dass Phil Ramone euer nächstes Album produzieren wird...
RG: Ja, das war eine Möglichkeit, und eine gute noch dazu. Wir haben uns getroffen und es war auch alles prima. Aber das war´s dann auch schon - halt nur eine Möglichkeit.
AS: Meiner Meinung nach ist es besser, mit einem jungen, hungrigen Produzenten wie Michael Bradford zusammenzuarbeiten.
RG: Du sprichst mit einem 56 Jahre alten Bassisten. Aber ich nehme deine Aussage dennoch als Kompliment... - Gelächter -
AS: Gehe ich Recht in der Annahme, dass ihr euch durch die Zusammenarbeit mit einem modernen Produzenten wie Michael Bradford versprecht, mehr Alben zu verkaufen?
RG: Nein, wir hoffen weniger zu verkaufen. - Pause - NATÜRLICH hoffen wir, mehr Alben zu verkaufen! Was ist das für eine Frage??? - Riesengelächter -
AS: Ja, du hast vollkommen Recht. Es ist halt schon spät... (Roger lacht sich fast schlapp)
RG: Es ist natürlich toll, erfolgreich zu sein. Der Erfolg ist zwar nicht das, was uns antreibt, Musik zu machen, aber wenn du ihn dann trotzdem hast, ist das schon ein großartiges Gefühl. Aber was ist überhaupt "Erfolg"? Meine Frau sagte mir, nachdem sie "Snapshot" gehört hatte: "Ich hoffe für dich, dass das Album erfolgreich wird." Ich habe ihr geantwortet: "Das ist es bereits!" Für mich ist es nämlich schon ein Erfolg, dass Album realisiert zu haben, es aufgenommen und veröffentlicht zu haben. Das ist für mich der größte Erfolg, den ich mir erhoffen konnte. Wie oft sich das Album verkauft ist eine ganz andere Sache. So ist das auch mit der Band. Natürlich würden wir gerne mehr Alben verkaufen. Aber wir müssen nicht viele Alben verkaufen, müssen nicht kommerziell oder radiotauglich klingen. Mich hat es sehr interessiert, warum Michael Bradford uns produzieren möchte. Er sagt, dass er uns mag, weil wir eine Rockband sind. Hierüber bin ich sehr froh, denn mit dem großen Namen "Deep Purple" wäre es ein Leichtes, uns mit einigen kommerziellen Songs zu einer Art Aerosmith umzuwandeln. Aber das ist nicht Michael`s Absicht. Seine Absicht mag zwar sein, soviele Alben wie Aerosmith zu verkaufen, allerdings ohne uns dafür zu verbiegen. Wir wollen gegenüber den Leuten, die uns kennen, ehrlich bleiben. Wobei ich eingestehen muss, dass es für uns teilweise schwer zu verstehen ist, was die Leute von uns erwarten. Man muss auch aufpassen, nicht zu seiner eigenen Parodie zu werden. Viele reden davon "Back to the roots" gefunden zu haben. Steve Morse war vor einigen Jahren derjenige, der uns zeigte, wer wir einst waren. Nachdem er bei uns eingestieg, ist jeder von uns wieder aufgeblüht, sowohl als Musiker, als auch als Charakter. Ich bin mir übrigens sicher, dass mit Don wieder so etwas passieren wird.
AS: Ihr müsst schon ein sehr starkes Album abliefern, um den Leuten zu zeigen, dass ihr auch ohne Jon noch eine Zukunft habt...
RG: Ja, es wird das wichtigste Album, dass wir jemals aufgenommen haben. Aber so ist es eigentlich schon immer gewesen... Das nächste Album ist immer das wichtigste.
AS: Viele Fans sind sehr enttäuscht, dass ihr diesmal solange Zeit braucht, ein neues Album aufzunehmen. Manche unterstellen, dass es Euch an Ideen mangelt, was ich mir allerdings absolut nicht vorstellen kann. Was sind die wahren Gründe?
RG: Man kann nicht alles planen, manches passiert einfach, manche Dinge ändern sich. Es sieht so aus, als wäre es fast so etwas wie ein Missgeschick, dass wir so lange kein neues Studioalbum aufgenommen haben. Aber wenn ich zurückblicke, so sehe ich einige Gründe hierfür. Ein Grund war das "Concerto For Group And Orchestra". Anstatt nach der Aufführung in der Royal Albert Hall ins Studio zu gehen, haben wir die Concerto-Tour absolviert. Alle Pläne wurden hierduch über den Haufen geworfen. Dann stand auch im Raum, dass Jon die Band verlassen würde. Meiner Meinung nach wäre es ein riesiger Fehler gewesen, mit Jon ins Studio zu gehen und anschließend jemand zu engagieren, der seinen Part auf der Bühne übernimmt. Wir mussten zunächst Bescheid wissen wie es weiter geht. Jetzt wissen wir wie es weiter geht und werden nun ins Studio gehen. Außerdem hat sich das ganze Musikbusiness stark verändert. Alben verkaufen sich nicht mehr. Konzerte laufen aber noch sehr gut. Wir sind sehr glücklich, dass wir fast weltweit Publikum haben. Wir lieben natürlich die Musik, aber es ist auch Geschäft. Außerdem können wir nicht einfach aufhören zu arbeiten, denn das Arbeiten ist ein unentbehrlicher Bestandteil des Lebens. Das ist bei uns nicht anders als bei allen anderen auch. Manche werfen uns vor, wir würden das Publikum schröpfen und unseren Namen verkaufen. Diese Leute können mich mal gerne haben, schließlich haben wir uns unseren Erfolg hart erarbeitet und müssen deshalb heutzutage nun wirklich kein schlechtes Gewissen haben. Meiner Meinung nach haben wir in den letzten 8 oder 9 Jahren wahre Wunder vollbracht. Wir haben den Abwärtstrend aufgehalten und umgekehrt. Mittlerweile geht es für uns wieder bergauf und darauf können wir stolz sein. Wir sind uns alle sehr sicher, dass das nächste Album verdammt gut wird. Uns ist bewusst, dass wir ein großartiges Album abliefern müssen, und genau das werden wir tun!
AS: Ein weiterer Kritikpunkt ist die mittlerweile sehr statische Setlist. Wenn ihr schon fast nur noch alte Songs spielt, warum dann nicht auch mal zur Abwechslung zwei oder drei Songs, die man noch nicht live gehört hat, wie zum Beispiel "Hard Lovin` Man", "Flight Of The Rat" oder "Living Wreck"? Immerhin gibt keine zweite Gruppe, die so viele unglaublich gute Songs geschrieben hat.
Roger Glover live in Köln, 28.8.2002RG: Neue Songs zu schreiben oder alte Songs einzuüben ist unserem Fall nur sehr schwer zu realisieren. Wenn wir uns mal alle treffen - Anlass sind meistens Konzerte -, herrscht fast immer ein großer Zeitdruck. Aus persönlichen und geografischen Gründen können wir uns nicht mal eben so zwischendurch treffen. Das muss alles organisiert werden. Ich gebe dir Recht, dass es einige Dinge gibt, die wir machen könnten, aber ich vertrete eben nur eine Meinung. Ich treibe immer dazu an, neues Material in Angriff zu nehmen. Tatsache ist aber auch, dass wir vor Publikum spielen, dem es am wichtigsten ist, die Hits zu hören, bei denen es mitsingen kann - das ist die rauhe Realität. Außerdem ist Realität, dass wir seit den 70ern solche Hits nicht mehr geschrieben haben. Wir haben zwar gute Songs geschrieben, aber keine Songs, die jeder kennt. Bei unserer jüngsten Amerika-Tour ist uns das bisweilen wieder sehr bewusst geworden. Das war dort nicht immer unser Publikum. Die Leute kommen zu den Konzerten und wollen einfach eine gute Zeit haben. An einigen Abenden mussten wir dafür büßen, dass wir Songs gespielt haben, die keine Hits waren. Also haben wir die Setlist umgestellt und Hit auf Hit gespielt, was wir tun mussten, um dort überleben zu können... Scorpions und Dio haben es übrigens auch nicht anders gemacht.
AS: Ok, für Amerika mag dieses Argument ja zutreffen. Aber sicher nicht für Deutschland...
RG: Ja, aber wann glaubst Du, hatten wir Zeit zu proben? Ich bin erst zwei Stunden vor der ersten Show in Deutschland angekommen. Nächstes Jahr wird es einige Änderungen geben. Ich denke, wir werden ein komplett neues Programm spielen, mit neuen Songs und anderen alten Songs. Die Kritik, die du ansprichst, kommt nur von einer Minderheit. Viele Leute sehen uns zum ersten Mal live, was ein sehr gutes Zeichen ist, denn unser Publikum verändert sich. Es mag sein, dass die, die uns schon 6 oder 7 Mal gesehen haben, sich inzwischen langweilen.
AS: Ihr solltet aber die alten Fans nicht vergessen, denn sie stellen eure Basis dar.
RG: Du weißt, dass mir unsere Fans sehr wichtig sind und ich pflege auf Tour ständig den Kontakt zu ihnen. Und dennoch: Die Dinge, die wir tun, tun wir für uns, nicht für die Fans. Wir machen was wir wollen. Das war übrigens schon immer so, und glücklicherweise haben wir stets den Geschmack von vielen Leuten getroffen.
AS: Ist es nicht langweilig, jeden Abend die gleichen Songs zu spielen?
RG: Nein, weil die Songs jeden Abend anders gespielt werden. Nimm zum Beispiel "Smoke On The Water" und "Highway Star" - da spiele ich jeden Abend andere Läufe am Bass. Das mag den meisten Leuten im Publikum nicht auffallen, aber für mich ist das sehr wichtig. Deshalb sind all die alten Songs jeden Abend neu für mich.
AS: Apropos "Smoke On The Water": Die Einleitung heute Abend (Gelsenkirchen) habt ihr verpatzt, nicht wahr?
RG: Das war heute abend in der Tat eine sehr merkwürdige Version von "Smoke On The Water". Ich werde dir erzählen, wie es dazu kam: Während der Amerika-Tour durften wir maximal 75 Minuten spielen, und keine Minute länger! Das war nicht leicht für uns, denn wir haben keinen Dirigenten, der uns zeigt, wie lange welcher Part gespielt werden darf. Heute abend hatten wir aber endlich wieder mehr Zeit, und wir lieben es, zu jamen. Die heutige Einleitung von "Smoke On The Water" basierte auf dem Konzert in Reno (USA), bei dem Joe Satriani mit uns jamte. Er kam auf die Bühne, fing einfach an zu spielen und wir setzten ein. Das war ein wahrhaft magischer Moment. Zwei Minuten bevor wir heute auf die Bühne gingen, meinte Paicey: "Hey, warum spielen wir nicht nochmal so einen Rhythmus vor `Smoke On The Water`?" Wir sagten: "Ok". Das war alles und den Rest hast du ja gehört (lacht)...
AS: Das ist genau die Spontanität, die Deep Purple-Fans so schätzen. Vielen Dank für das ausführliche Interview zu später Stunde.
RG: Mein Kompliment an dich. Du weißt wirklich, wovon du sprichst.

Übersetzung: Andree Schneider
pics: Andree Schneider