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"Es war ein sehr angenehmes Gefühl, mit einem so guten Produzenten im Studio zu sein, besonders für mich. Ich war einfach nur ein Bassist und ein Songwriter."
Interview mit Roger Glover, 02.11.2003, Düsseldorf

von Lars Wehmeyer & Andree Schneider

Es kommt sicher eher selten vor, dass ein Außenstehender Einfluss auf das Liveprogramm von Deep Purple nehmen kann. Am 2. November 2003 in Düsseldorf trug sich ungefähr eine halbe Stunde vor Beginn des Konzertes folgende Begebenheit zu: Don Airey fragte mich (Andree), ob ich einen Düsseldorf-typischen Song kennen würde. Ich wandte mich hilfesuchend an meine Freundin Moni, die sofort meinte: "Es gibt doch dieses Altbierlied von den Toten Hosen." "Prima", meinte ich, "dann singe das doch bitte mal vor". "Nein, niemals!", sagte Moni. Roger Glover und Don grinsten und sagten wie aus einem Munde: "Sing!" Moni kam der höflichen Aufforderung nach und sang: "Ja sind wir im Wald hier, wo bleibt unser Altbier. Wir haben in Düsseldorf die längste Theke der Welt, jajajaja". Was folgte war ein Riesengelächter... "Bitte nochmal", meinte Don. Es folgte erneut ein Riesengelächter. Don entführte Moni kurzerhand in den Duschraum, wo sie ihm weitere vier Mal die weltbewegenden Zeilen vorsingen durfte. Zu unserer großen Freude und zur Freude des Düsseldorfer Publikums baute Don das Altbierlied tatsächlich in sein Keyboardsolo ein. So etwas nenne ich spontan. Wie das Publikum wohl reagiert hätte, wenn wir ihm stattdessen "Mir losse der Dom in Kölle" vorgesungen hätten...

Nach dem Düsseldorfer Konzert erklärte sich Roger Glover bereit, dem Aviator erneut Rede und Antwort zu stehen. Nachdem wir Roger bereits im Backstage-Bereich verpasst hatten, kam er auch nicht mit dem Rest der Band im Tourbus ins Hotel, sondern traf erst einige Minuten später in der Hotelbar ein. Man hatte ihn schlichtweg vergessen... Somit hatten wir zunächst noch Gelegenheit, uns mit Ian Gillan zu unterhalten, der ausgiebig mit uns plauderte. Dann verzogen wir uns mit Roger an einen ruhigen Tisch und starteten das Diktiergerät.
Obwohl Roger von der Show und der Fahrerei offensichtlich etwas müde war, nahm er sich viel Zeit und hat auf unsere Fragen ausführlich geantwortet.

Das Interview gibt es erstmals auch im englischen Original.


Lars Wehmeyer (LW): Das neue Album "Bananas" klingt wie eine Band, die genau das tut, was sie am besten kann: Jammen, Spaß haben, Musik machen, Singen. Es klingt wirklich so, als hättet ihr eine Menge Spaß im Studio gehabt. Ist das richtig?

Roger Glover (RG): Ja! - - - (lange Pause - wir dachten schon, Roger würde alle Fragen im Telegrammstil beantworten. Doch dann: Grinsen, Gelächter)
Wir haben die Platte sehr schnell aufgenommen, und das ist gut so. Wenn wir uns selbst überlassen sind, nehmen wir uns zu viel Zeit, und wenn man zu viel Zeit hat, verschwendet man sie mit trivialen Dingen, statt die wirklich wichtigen Sachen zu machen. Roger Glover in Frankfurt 2003Man hat einfach kein richtiges Ziel, wenn man eine Menge Zeit zur Verfügung hat. Das war genau einer der Gründe, warum wir mit einem Produzenten arbeiten wollten: um uns zu disziplinieren. Ich kann die Band nicht zur Disziplin anhalten, denn ich gehöre zur Band. Sie hören nicht auf mich. Aber sie haben auf Michael Bradford gehört.

Wir haben uns im Dezember 2002 zum Songschreiben getroffen, ungefähr vier Wochen lang, und in dieser Zeit haben wir so ziemlich alle Songs fertiggestellt. Im Januar haben wir uns dann eine Woche zum Proben im Studio getroffen, um den Songs den letzten Schliff zu verpassen und vertrauter mit ihnen zu werden. Wir hatten keine Ahnung, wie sie im Studio klingen würden. Das ist eine geniale Sache: es war ebenso eine Lernerfahrung für uns wie für jemanden, der sich die Platte anhört. Wir wussten nicht, wo es hinführen würde. Nach einer Woche proben hat Michael dann im Aufnahmestudio die Geschwindigkeit hoch gehalten, und wir sind in einen gewissen Rhythmus verfallen: Wir kamen ins Studio, nahmen einen Song in einem oder zwei Takes auf, machten Mittagspause, gingen zurück ins Studio und probten den Song für den nächsten Tag. Am nächsten Tag haben wir diesen dann aufgenommen, wieder in ein oder zwei Takes - und so haben wir das ziemlich mühelos durchgezogen. Es war eine gute Stimmung im Studio, ja. Don's Präsenz war klar zu spüren, er hatte sich in der Ecke ausgebreitet, er hatte seinen Keyboardsound, er war einfach spitze.

Es war ein sehr angenehmes Gefühl, mit einem so guten Produzenten im Studio zu sein, besonders für mich, ohne dieses Gewicht auf meinen Schultern. Ich war einfach nur ein Bassist und ein Songwriter. Allerdings - manchmal musste ich mir echt auf die Zunge beißen. Man hat so viele Ideen und versucht, sie den anderen zu vermitteln. Manchmal klappt das und manchmal nicht. Als ich Michael zugesehen habe, wie er sich diesem Ideenfindungsprozess gestellt hat, war ich wirklich sehr beeindruckt von seinem Verhalten im Studio.

Ich habe sehr lange gebraucht, um diese Frage zu beantworten, und so langsam bekomme ich Angst, dass wir zum Frühstück immer noch hier sitzen... (Gelächter)

LW: Du hast damit aber einige Fragen auf der Liste schon beantwortet.

RG: Das hatte ich gehofft.

LW: Du hast einmal gesagt: "Es ist toll, in einer glücklichen Band zu sein. Ich kann das jedem nur empfehlen". Ist Deep Purple heute eine glückliche Band? Sind es vielleicht die glücklichsten Deep Purple aller Zeiten?

RG: Aller Zeiten - ich weiss nicht, "alle Zeiten" müssen erst noch kommen. Es ist eine ziemlich geniale Band, aber nicht ohne Reibungspunkte. Es gibt Reibereien in der Band. Das ist einfach unvermeidlich, das ist eben so. Aber letztendlich kann man sagen, dass es trotz unserer Differenzen eine Menge Respekt und Liebe füreinander gibt. Wir wissen, dass wir in einer guten Band sind. Es klingt vielleicht eingebildet, aber manchmal kommt man einfach von der Bühne und denkt "Verdammt, wir sind gut!". Ab und zu muss man das fühlen. Ich gebe selten mit der Band an, ich lasse lieber die Musik für sich sprechen, aber ab und zu ist da so ein Gefühl "Hey, das ist es!".

Andree Schneider (AS): War es nicht manchmal schwer für Dich, Michael Bradford im Studio nicht Deine Meinung zu sagen und ihm Tipps zu geben?

RG: Ich hatte das schon erwähnt - ich musste mir auf die Zunge beißen. Roger Glover in Frankfurt 2003Das Wichtigste bei der Arbeit mit einem Produzenten ist Vertrauen. Man vertraut dem Mann, der die Verantwortung trägt. Ich denke, wir haben alle beschlossen, dass Michael unser Produzent sein soll, daher hatte er von Anfang an unser aller Vertrauen. Das Beeindruckendste an Michael ist seine Sprache, wie er Ideen erklärt, wie er die Dinge angeht. Er ist sehr gebildet und sagt genau das Richtige, um seine Gedanken rüberzubringen. Er ist ein sehr klar denkender Mann. Ich bewundere das, er hat da eine deutliche Stärke. Manchmal sagten wir "Oh Michael, lass uns das nochmal machen, komm, wir machen das nochmal, das geht noch besser". Und er sagte "Nein, das war die Aufnahme". So hat er alle Diskussionen beendet.

AS: Konntest Du als erfahrener Produzent etwas von Michael Bradford lernen?

RG: Auf jeden Fall. Man lernt jeden Tag etwas. Man ist immer ein Schüler. Du bist Dein ganzes Leben lang ein Schüler, Erfahrung bedeutet nichts - na gut, sie bedeutet ein bisschen was, aber man ist trotzdem ein Schüler, immer. Die Erfahrung sagt einem nur, was man vermeiden sollte. Sie sagt Dir nicht, wie Du Dinge angehen sollst. Das muss man immer lernen, jeden Tag.

AS: Würdest Du es gerne sehen, wenn Michael Bradford das nächste Deep Purple Studio Album produziert?

RG: Ja, das würde ich. Ich würde wieder mit ihm arbeiten.

LW: Bei zwei meiner Lieblingsstücke auf "Bananas", nämlich "House Of Pain" und "Walk On", sind als Autoren "Gillan, Bradford" angegeben. Sollten wir Michael Bradford als Deep Purple Mitglied Nummer Sechs betrachten?

RG: Nein. Er ist der Produzent. Das ist eine typische Frage, die Du da stellst, weil Du natürlich davon ausgehst, dass Deep Purple ihre Songs selber schreiben. Das ist zum Normalfall geworden, aber es ist keine Regel. Es muss keine strenge Regel sein. Wir haben zu verschiedenen Zeitpunkten in der Vergangenheit einige zweifelhafte Songs geschrieben. Aber zum Beispiel ganz am Anfang: "Hush" ist nicht von Deep Purple geschrieben, "Kentucky Woman" ist nicht von der Band, es gibt da keine feste Regel. Eine Sache, die mir Michael so sympathisch machte, war, dass er bei unserem ersten Treffen seine Vision für die neue Platte erläutert hat. Er hat es in einfachen Worten gesagt. Er meinte: "Ihr seid Deep Purple. Gillan und Glover in Frankfurt 2003Euer Sound ist ein Markenzeichen. Ihr solltet Euch nicht dafür schämen, wer Ihr seid. Die Leute spielen immer die alten Songs, die Songs aus den 70ern. Warum ist das so? Sie mögen diese Songs". Er sagte: "Das seid Ihr immer noch. Das ist die Art und Weise, wie Ihr spielt, habt einfach keine Angst davor, genau das zu sein". Und irgendwie hat er damit eine Vision zu uns zurückgebracht, was Deep Purple eigentlich ist. Darum denken wohl viele Leute, dass das neue Album irgendwie so klingt, als könnte es ein 70er-Jahre Album sein. Und während der Aufnahmen kam er mit einigen guten Songs an, von denen er dachte, dass sie bei uns den Funken überspringen lassen. Und diese Songs klangen echt gut. Warum sollte man Songs ablehnen, bloß weil sie jemand anderes geschreiben hat?

LW: Ich hatte ja gesagt, es sind zwei meiner Lieblingsstücke! "Bananas" ist auf Platz drei in die deutschen Albumcharts eingestiegen. Ist es ein kommerziell erfolgreiches Album, und werdet Ihr jetzt öfter im Radio gespielt? Weißt Du überhaupt, wie oft Ihr im Radio gespielt werdet?

RG: Ich habe nicht die geringste Ahnung.

LW: Das dachte ich mir...

RG: Ich verfolge die Verkaufszahlen nicht. Ich verfolge die Chartpositionen nicht, ich verfolge nicht, wie oft wir im Radio gespielt werden. Ich denke, wenn es für mich offensichtlich wird, dass etwas passiert, dann weiß ich, dass es passiert. Ich suche aber nicht danach - nach dem Motto "Oh, wir waren am Dienstag früh auf dem Morgensender". Was immer auch passiert, wird passieren, ich bin im Moment zu beschäftigt mit der Tour, um mir Gedanken über das Album zu machen. Das Album wird das tun, was es eben tut, egal was ich darüber denke. Und es war sehr gut, man will ja immer mehr verkaufen, aber man muss das akzeptieren, was man bekommt. Man ist von der Gnade abhängig, von der Gnade "DES GESCHÄFTS" (verzweifelte Grimasse, Gelächter).

LW: Die "Bananas"-CD ist mit einem Kopierschutz versehen. Wie ist Deine Meinung zu kopiergeschützten CDs?

RG: Ich weiß nichts über Kopierschutz. Ich habe die ganzen Mails gesehen, die zwischen den Fans deswegen hin und her gingen. Ich weiß wirklich nicht, was Kopierschutz eigentlich ist. Die CD, die ich habe, lässt sich einwandfrei abspielen, ich weiß nichts von irgendwelchen Verzerrungen. Man müsste mir erst noch beweisen, dass der Kopierschutz Schuld an den Verzerrungen ist. Vielleicht liegt es an etwas anderem, vielleicht ist es einfach eine Fehlpressung. Ich habe eine Analyse der Wellenform gesehen, und man hat gesehen, dass der Pegel über die Grenzen hinausgesprungen ist. Vielleicht hat das nichts mit dem Kopierschutz zu tun. Aber ein Kopierschutz an sich, ich denke, dass das keine schlechte Sache ist. Es wäre schön, wenn man etwas ein- oder zweimal kopieren könnte, und danach nicht mehr, aber ich weiß nicht, wie man das realisieren kann. Vielleicht gibt es Methoden, wie man so etwas machen kann.

Aber die Plattenfirmen, die Musikfirmen, sind momentan in einer sehr schwierigen Lage. Ich kenne Leute im Musikgeschäft. Ich kenne Verantwortliche im Musikgeschäft. Es gibt in diesem Bereich große Veränderungen. Giganten fallen. Und sie fallen alle. Und es wird noch schlimmer kommen.Lars Wehmeyer,
	      Andree Schneider und Roger Glover beim Interview Ich denke, dass momentan im Musikgeschäft so eine Art Suche nach einem Gleichgewicht abläuft, weil es den Firmen viel zu lange viel zu gut gegangen ist. Einer der Manager, einer der großen Fünf, hat einmal zu mir gesagt, "Das Schlimmste, was dem Musikgeschäft passieren konnte, war die CD". Die CD kam heraus und die Verantwortlichen haben alles, was sie auf Vinyl hatten, auf CD herausgebracht und haben viel zu viel Geld dafür verlangt. Sie haben dermaßen viel Geld gemacht, riesige Gewinne in der Mitte der 80er und in den ganzen 90ern, und haben so alles aufgebläht. Jetzt bezahlen sie den Preis dafür. Die Leute sind sauer wegen CDs, die nur einen guten Song enthalten. Sie sind sauer wegen der schieren Menge - es wird so viel Zeug herausgebracht, dass niemand alles hören oder es bewerten oder kaufen kann. Es ist fast unmöglich, und das ist fatal.

LW: Warum habt Ihr Euch entschieden, "The Well Dressed Guitar" nicht auf das "Bananas"-Album zu packen?

RG: Nun, das ist ein etwas heikles Thema für Steve, denn er hätte es gerne auf der Platte gehabt. Die Plattenfirma und gewisse andere Leute hatten das Gefühl, es gehöre nicht auf das Album weil es eine "Steve-Sache" ist und keine "Band-Sache". "Contact Lost" ist auch so eine "Steve-Sache"...

LW: Das dachte ich auch gerade...

RG: Zwischen "Contact Lost" und "Well Dressed" war das Gefühl so, dass "Contact Lost" auf der Platte sein sollte und "Well Dressed" nicht. Das ist eine harte Entscheidung, und ich war nicht dafür - wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich alles auf die Platte gepackt. Aber es ist zum Teil Sache der Plattenfirma und zum Teil Sache der Band. Keine besonders zufriedenstellende Entscheidung für Steve, aber das ist ja auch verständlich.

AS: "Haunted" ist ein toller Song. Könntet Ihr nicht einen Video-Clip dazu drehen? Ich bin mir sicher, mit einem Video könnte dieser Song ein echter Hit werden.

Roger in Erfurt 2003RG: Es gibt nur einen Grund, ein Video zu drehen, und das ist der, dass jemand das Video zeigen wird. Hundert-, hundertfünfzig-, zweihundertfünfzigtausend Dollar für ein Video auszugeben, das niemand zeigt, wäre ziemlich töricht. Die Band, die wir sind, und die Klasse, in der wir spielen, und das Alter, das wir haben - MTV hat zu uns gesagt, sie würden nie ein Video von uns spielen, weil wir zu alt sind. Warum also sollte jemand so viel Geld ausgeben? Es ist schön, davon zu träumen. Wenn es einen Ausverkauf mit Garantien gäbe, bin ich mir sicher, es gäbe irgendeine Art von Video. Aber solange es keinen Grund dazu gibt, machen wir das auch nicht.

AS: Gibt es schon Pläne, wann Ihr das nächste Studioalbum angehen wollt?

RG: Keine konkreten Pläne, aber Absichten. Irgendwann Ende nächsten Jahres werden wir wieder zum Schreiben zusammenkommen, irgendwie so, aber das ist nur ein vager Gedanke. Aber wir wollen ganz bestimmt nicht wieder fünf Jahre bis zum nächsten Album verstreichen lassen. Diese letzte Platte war eine gute Erfahrung, und ich denke, wir können relativ schnell eine weitere Platte aufnehmen.

LW: Wir wissen, und Ian Gillan erzählt es ja jeden Abend, dass Ihr enge Verbindungen zur Besatzung der USS Columbia hattet - der Titel "Contact Lost" sagt alles. Ich habe Bilder gesehen, wie Ihr nach Eurem Konzert in Mexico City die Überreste der Deep Purple-CDs, die die Besatzung mit an Bord hatte, überreicht bekamt. Diese Bilder haben mich sehr bewegt. War es nicht ein seltsames Gefühl, die Überreste eines solch furchtbaren Unfalls zu bekommen?

RG: Ja, das war es. Es ist seltsam, man sieht Dinge in den Nachrichten, die mit anderen Leuten und anderen Orten zu tun haben. Und diese kleine Sache macht Dich zu einem Teil dessen, was Du in den Nachrichten gesehen hast. Es war sehr bewegend, er (Anmerkung: J.P. Harrison) ist ein wunderbarer Mann und sie (Anmerkung: Kalpana Chawla) war eine wunderbare Frau. Ich bin mir nicht sicher, ob ich seine Frau kennengelernt habe, aber ich habe ihn und ein paar andere Leute von der NASA kennengelernt. Ich war sehr beeindruckt von ihm, wir beide hatten einen ziemlich guten Draht zueinander. Er ist sehr ruhig und empfindsam. Er verarbeitet diese Art öffentlicher Trauer, indem er sich in sie hineinversenkt, er reist herum und redet darüber, er kommt zu einem unserer Konzerte, um uns diese Dinge zu geben. Es war ein großartiges Erlebnis, aber man fühlt sich sehr klein und hilflos.

LW: Du hast sehr lange mit Jon Lord zusammengespielt. Ist dieses gewisse Gefühl der Vertrautheit auch mit Don in der Band vorhanden oder ist es heute ein anderes Gefühl auf der Bühne? Ist es vielleicht sogar aufregender?

RG: Nun ja, es ist ein anderes Gefühl. Es fühlt sich eben an wie Don. Die Persönlichkeit kommt in der Art und Weise, wie Du Dein Instrument spielst, durch, besonders in einer Musiker-Band. In einer Musiker-Band ist Dein Spiel Deine Persönlichkeit. Don ist eine andere Persönlichkeit. Ich kann die beiden nicht vergleichen, denn sie sind beide großartig, sie sind nur anders. Jon ist majestätisch und einfach und starr und bluesig, und außerdem ziemlich exzentrisch. Don ist genauso exzentrisch, aber er ist flüssiger, er hat einfach andere Gedanken und Vorstellungen. Er hat einen anderen Sound, sein Sound tendiert ein bißchen mehr in Richtung Jazz. Mir ist das an diesem Grollen der Orgel aufgefallen, er spielt keinen einfachen A-Moll-Akkord, sondern einen A Moll-7, -9 und -13, er hat diesen Mix einfach raus. Er ist sehr erfinderisch, er hat fantastische Ohren, er kann gewisse Sachen hören und darauf reagieren. Er ist einfach perfekt für diese Band, er ist genau das, was die Band braucht.

LW: Stimmt es, dass Don Airey Jon Lords Hammond-Orgel spielt? Ich hätte gedacht, dass sich Jon nie von diesem Instrument trennen könnte, schließlich hat er so lange darauf gespielt.

Roger in Erfurt 2003RG: Ich glaube, es ist Jons Orgel. Ich bin mir nicht ganz sicher. Ich weiß, dass Don sie von ihm kaufen wollte, und ich glaube, Jon wollte sie verkaufen, aber ich kann mich nicht erinnern, ob der Handel wirklich stattgefunden hat. Ich glaube, es ist noch dasselbe Instrument, aber es klingt anders, weil Don einen ganz anderen Ansatz hat. Die Sache, die Jon berühmt gemacht hat, ist, dass er die Orgel über einen Marshall-Verstärker gespielt hat, anstatt ein Lesley zu benutzen, so wie alle anderen. Er hatte eine direkte Verbindung in den Marshall. Es war wirklich ein sehr sehr dreckiger und hässlicher Sound. Don hat eine etwas andere Herangehensweise. Ich meine, Jon hat das in den letzten Jahren auch aufgegeben und ist zum Lesley-Sound zurückgekehrt, weil es eben ein wunderschöner, warmer Sound ist. Diesem röhrenden Sound hat er als Effekt wohl irgendwie misstraut. Ich weiß es nicht, ich kann nicht für Jon sprechen. Don ist sich bewusst, dass Jons Orgelsound großartig war, und er hat sehr hart daran gearbeitet. Er benutzt keine Marshalls, sondern...

Daniel Stasch: Hughes&Kettner

RG: Ja, genau! Und es klingt toll, auf der Bühne klingt es toll, und ich weiß, dass es auch unten toll klingt. So gesehen hat Don diese Vorgabe von Jon übernommen und sie erweitert. Ich bin sehr glücklich darüber. Ich empfehle jedem, in einer glücklichen Band zu sein.

AS: Es ist toll, auf dieser Tour endlich neues Material zu hören. "Neue alte" Songs sind dagegen nicht auf der Setlist. Habt Ihr beschlossen, keine zu spielen, oder wurde darüber gar nicht diskutiert?

RG: Oh doch, das wurde diskutiert. Es gibt da verschiedene Grüppchen in der Band. Ich bin einer derjenigen, der viel neues und viel altes, selten gespieltes Material spielen will, aber ich werde von denen, die anderer Meinung sind, überstimmt. Man erwartet von uns, dass wir die Klassiker spielen. Ich finde, es wird zu sehr erwartet. Ich würde gerne größere Risiken eingehen. Aber ich bin eine Minderheit. Die Setliste ist eine Schlacht. Nicht nur bei den Fans, sondern auch in der Band.

AS: Und die Schlacht geht weiter ("And the Battle Rages On").

RG: The battle rages on (Gelächter)

LW: Im Jahr 2001 hast Du in einem Interview mit Andree gesagt, dass Du gerne mit Deinem Solo-Album "Snapshot" auf Tour gehen würdest. Was ist aus diesen Plänen geworden? Planst Du immer noch eine "Snapshot"-Tour?

RG: Es hängt alles von der Logistik ab. Es hängt alles vom Geld ab. Es hängt alles von Roger in Erfurt 2003der Zeit ab. Ich wollte ein paar Konzerte in Amerika spielen, und alles war so weit vorbereitet - wir wollten zum Beispiel im "B.B.King's" in New York spielen, aber Randall Bramblett, und ich muss seinen Standpunkt hier anerkennen, Randell war gerade mit Stevie Winwood auf Tour, mit dem er schon seit ungefähr neun Jahren zusammenarbeitet. Also hat er mir abgesagt. Und das war mein einziges Zeitfenster. Und ohne Randell ist das Ganze nicht sehr sinnvoll. Ich will nicht auf Tour gehen und diese Sache mit einer irgendwie zusammengewürfelten Band durchziehen. Wenn ich nochmal ein anderes Album mit verschiedenen Sängern mache, dann vielleicht, aber für diesen Zweck ist Randell die einzige Alternative.

Ich habe gebettelt, ihm gesagt "Können wir nicht wenigstens einen Gig machen, den filmen wir dann, weißt Du, ein paar Tage lang proben und dann spielen wir irgendwo in ein paar guten Clubs und das filmen wir, und dann haben wir wenigstens etwas", und er sagte "Ja, ja, klasse". Ich kann mich nicht erinnern, warum das letztendlich nicht geklappt hat. Ich glaube, dieser eine Gig hätte so viel Geld gekostet, dass keine Plattenfirma etwas davon wissen wollte. So gesehen ist es eine Frage von Geld, das ich momentan nicht habe. Darum konnte ich es bislang nicht verwirklichen.

LW: Hast Du das Gefühl, dass Du sehr viel von Dir preisgibst, zum einen durch Deine Musik, zum anderen auch durch Deine Gemälde und Zeichnungen im Internet?

RG: Vielleicht bin ich etwas eingebildet. Ich verwende meine Webseite (Anmerkung: www.rogerglover.com), um Sachen zu zeigen, die nie jemand gesehen hat, außer im engen Familienkreis. Ich glaube, um Künstler zu sein, egal in welcher Richtung, muss man sich nackt vor Leute stellen. Man muss verwundbar sein. Du musst Du selbst sein, egal, was andere von Dir denken. Mir ist schon der Gedanke gekommen, dass ich vielleicht zu viel von mir preisgebe, wenn ich diese Sachen ins Netz stelle, aber ich habe sie mir nochmal angesehen und dachte "Niemand hat dieses Zeug je gesehen, es hat jahrelang in meinem Keller gelegen, dies scheint eine gute Gelegenheit zu sein". Also habe ich es ausprobiert. Ich weiß nicht, was die Leute davon halten, ich bekomme nicht sehr viele Rückmeldungen. Vielleicht lacht die ganze Welt über mich, und ich weiß nichts davon...

AS, LW: Glaub ich nicht!

RG: Oh, danke, danke! (Gelächter)

AS: Die letzte Frage: Bitte vervollständige den folgenden Satz: "Wenn wir alle gesund bleiben, ..."

RG: Ende. (Gelächter)


Übersetzung: Lars Wehmeyer
Fotos: Andree Schneider, Jens "Omega" Rothe und Antje Brusberg