von Klaus Horn
Bis kurz vor Mosbach war das Wetter eigentlich nicht zu beanstanden,
aber je näher man kam, um so dunkler wurden die Wolken. Es
schien, als hätten sich alle schwarzen Wolken der Umgebung
über Mosbach versammelt und warteten nur noch auf mein Eintreffen,
um einen sintflutartigen Regenguss abzulassen. Und genau so kam
es dann auch.
So saß ich dann eine Weile auf dem Parkplatz in meinem Auto
in der Hoffnung, dass der Regen irgendwann nachlassen würde.
Doch jedesmal, wenn ich den Eindruck hatte, dass die Regenintensität
um zwei Tropfen pro Quadratmeter in der Minute nachgelassen hätte,
zuckte ein Blitz über den Himmel, so als wolle er mich darauf
hinweisen, dass noch nicht alle möglichen Unwetter-Varianten
zum Einsatz gekommen waren. Immerhin wurde man von Schneestürmen,
Hagelschauern und Flutwellen verschont...
Irgendwann sah ich schließlich ein, dass der Regen niemals
aufhören würde und begab mich aufs Gelände, wo ich
mich erst mal eine Weile unter einer Plane des Haribo-Standes herumdrückte,
unter der sich des Regens wegen ebenso viele Menschen wie Wespen
tummelten. (Normalerweise bin ich - glaube ich - eigentlich nicht
so ein Weichei, das sich von ein bisschen Regen ins Bockshorn jagen
lässt, aber dieser Guss ging mir doch ziemlich auf die Nerven;
ich bin schließlich kein Fisch, der daran gewöhnt ist,
klitschnass zu sein).
Aber wieso rede ich eigentlich vom Wetter, wenn es über Deep
Purple zu schreiben gilt?
Zuvor begann eine Band namens Aprildaze, welche ganz ordentlich
spielten.
Danach - ich hatte es inzwischen geschafft, durch einige wilde Flüche
dem Regen Einhalt zu gebieten - erschien Roger Chapman mit seiner
Band The Shortlist auf der Bühne. Ich hatte ihn bereits 1985
beim Deep Purple-Open Air in Mannheim gesehen - und es war recht
spaßig, ihm 16 Jahre später bei meinem 21. Purple-Konzert
wiederzusehen. Ich denke, dass er sich eindeutig weniger verändert
hat als ich. Mit seiner unverwechselbaren Stimme und einer äußerst
spielfreudigen Band wusste er absolut zu überzeugen.
Erstaunlicherweise gibt es übrigens tatsächlich Menschen,
die auch während eines Konzerts wenige Meter vor der Bühne
und direkt vor einem Lautsprecher stehend nicht darauf verzichten
können, mitten während eines Songs per Handy zu telefonieren.
Vielleicht
hat ja auch am anderen Ende jemand das Konzert mitgeschnitten.
Gegen 9:30 Uhr wurde die Spannung immer größer, und kurz
bevor Purple schließlich begannen, kam Don Airey, der ja den
am Knie operierten Jon Lord vertrat, schon mal auf die Bühne,
um sich vom ordnungsgemäßen Zustand des Tastengerätes
zu überzeugen, welches übrigens wie eine antike Kommode
aussah . Vielleicht sah er nach, ob irgendwelche Würmer Löcher
darin hinterlassen hatten. (Anm. The
Aviator: In Mosbach spielte Don auf einer Ersatz-Hammond, weil an
Jon`s Hammond etwas repariert werden musste. Die Ersatz-Orgel klang
in Don`s Ohren übrigens besser als Jon`s Original-Hammond.
Allerdings stand er mit dieser Meinung ziemlich allein da...).
Während des Openers "Woman From Tokyo" konnte man
dann Ian Gillans neue Frisur bewundern. Er trägt das ergraute
Haar sehr kurz, was ihm gar nicht schlecht steht. Offenbar hat er
auch ein bisschen abgenommen (vielleicht ließ ihn aber auch
die im Hintergrund zu sehende aufgemalte große Kugel schlanker
wirken). Danach gab's den wohl unvermeidlichen "Ted The Mechanic",
übrigens der einzige Song aus der Morse-Ära, der gespielt
wurde. Als nächstes folgte "Mary Long", so wie man
es aus den Aufnahmen der Soundboards-Series kennt (wenn man diese
Investition getätigt hat); eine hübsche Idee, diesen Titel
(wieder) live zu spielen. Inzwischen waren auch einige Besoffene
entsorgt worden, wodurch man nicht mehr ständig Angst haben
musste, dass jemand auf einen drauffällt oder einem ins Genick
kotzt. Die Stimmung stieg...
Dann war es für Big Ian an der Zeit, Jon Lord zu entschuldigen
und seinen Ersatzmann Don Airey vorzustellen, welcher dann auch
gleich beim Intro zu "Lazy" brillieren durfte. Überhaupt
machte Airey einen tollen Job - er ist unzweifelhaft einer der besten
Keyboarder der Welt. Doch über allen thront eben unerreicht
und unerreichbar Jon Lord, und so gut sich Airey auch einfügte,
so ist der Unterschied zwischen Jon und Don eben doch mehr als nur
ein Buchstabe...
Dann durfte Ian, der übrigens barfuß unterwegs war, "No
One Came" singen, bevor Steve Morse` Stunde in Form der "Well
Dressed Guitar" schlug. Don Airey hatte diesmal nicht nur Jon
Lord, sondern gleich ein ganzes Orchester zu vertreten. Bei der
Concerto Tour klang der Song mit Orchester noch mal so gut; vielleicht
lädt die Band ja das London Symphonie Orchestra ein, wenn sie
das Stück für die neue CD aufnimmt (falls der Song enthalten
sein wird und die Jungs sich endlich mal aufraffen, mit der CD anzufangen).
Dann kam für mich das Highlight des Abends: "Fools",
das Purple ja dankenswerterweise vor einiger Zeit ins Programm genommen
haben.
Übrigens zog sich Ian Gillan während der Show öfter
um als ein Model während einer Modenschau (kein Wunder, dass
er in seinem Gepäck vor lauter Klamotten keinen Platz mehr
für Schuhe übrig hatte). Nachdem er "Perfect Strangers"
angekündigt hatte, gab Don Airey ein recht langes Solo, in
dem er im Stile Jon Lords klassische Themen mit Improvisationen
und volkstümlichen Liedern verband. Beispielsweise spielte
er "In München steht ein Hochbräuhaus" an, wobei
Ian Paice mit einem gefüllten Bierhumpen erschien. Dons Solo
ging dann direkt in "Perfect Strangers" über, einem
Song, der aus den Purple-Konzerten nicht mehr wegzudenken ist.
Als nächstes stand "When A Blind Man Cries" auf dem
Programm, das für mich neben "Fools" den besten Song
des Abends darstellte. Dann war wieder Steve dran mit seiner Guitar-Parade,
die er ja schon seit einigen Jahren präsentiert, die trotzdem
nicht langweilig wird, weil sie immer wieder anders zelebriert wird.
Diesmal fiel die Band in die angespielten Stücke wie "Stairway
To Heaven", "La Grange" und "Sweet Home Alabama"
mit ein. Obwohl den meisten Zuschauern klar gewesen sein dürfte,
worauf das Ganze hinauslief, tobte das Volk trotzdem, als Steve
schließlich das Riff von "Smoke On The Water" spielte.
Während des Songs entdeckte Ian Gillan in der Menge einen kleinen
Jungen, der auf den Schultern seines Vaters sitzend, den Takt mit
einem Tambourin mitschlug, was Ian sichtlich gefiel. Auch "Speed
King" - immer ein Highlight - hatte als Schlusspunkt der Show
wieder einiges zu bieten; unter anderem ein Don/Steve-Duell, ein
längeres Bass-Solo von Roger Glover und ein aufsehenerregendes
Schlagzeugsolo von Ian Paice, der zeitweise den Kopf auf einem Arm
aufstützte und einhändig spielte - und das schneller als
es jeder mutierte Tausendfüßler könnte.... Dann
gab es noch ein Mundharmonika/Guitar-Duell zwischen Big Ian und
Steve, das dann in ein recht bizarr anmutendes "Vocals"/Guitar-Duell
überging.
Als die Band - durch Zugabe-Rufe angelockt - wieder auf der Bühne
erschien, hatte Little Ian wieder seinen Bierhumpen mitgebracht
und demonstrierte nun nach dem einarmigen Schlagzeugspiel auch noch
das einarmige Bierhumpen-Stemmen. Als erste Zugabe stand "Black
Night" auf dem Programm, wobei das Publikum mal wieder lauthals
mitgrölte. Danach folgte "Hush", dem man wirklich
nicht anmerkte, dass es schon dreiunddreissig Jahre alt ist. Abschließend
wurde wie immer "Highway Star" dargeboten.
Zusammenfassend muss man sagen, dass die Band sehr gut drauf war.
Rechnet man die Zeit zusammen, die Steve, Roger und auch Don gelächelt
haben (und zählt man Big Ians Grinsen dazu), stellt man fest,
dass die Band während dieser Show mehr gelächelt hat als
es statistisch gesehen die gesamte Bevölkerung der Faröer-Inseln
in einem ganzen Jahr tut.
Zum Schluss möchte ich noch meine Genesungswünsche für
Jon Lord in einen kleinen Vers fassen:
An Jon - zur Genesung:
Ich hoff', Du kannst bald wieder laufen -
darauf tu' ich jetzt einen saufen.
Ich hoff' Du wirst nicht lange hinken -
darauf tu' ich noch einen trinken.
Ich wünsche Dir ein langes Leben -
darauf tu' ich noch einen heben.
Beglück' uns weiter mit Deinem Können -
darauf tu' ich mir einen gönnen.
Spiel weiter Orgel und Klavier,
darauf trink' ich 'nen Kasten Bier.
Dass Du bald wieder unversehrt,
das ist mir einen Vollrausch wert.
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Klaus Horn
pic: Andree Schneider
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