von Lars Wehmeyer
Mehr oder weniger durch Zufall hatte ich die Gelegenheit, am 6.
Juni das Deep Purple-Konzert in der Nordseehalle in Emden zu
besuchen.
Die Vorgruppe "Châlice" (französische
Aussprache bitte!) hätten eigentlich im ersten Teil der Tour
vor Alice Cooper and Deep Purple spielen sollen, wurden aber in
letzter Minute noch aus dem Programm gestrichen. Als Ausgleich
durften die Jungs aus Hamburg nun wengstens in Emden als Vorgruppe
auftreten, was sie auch sehr überzeugend taten. Obwohl das
Publikum nicht gerade enthusiastisch reagierte, freuten sich die
Musiker nach jedem Song über Beifall. Sehr sympathisch, gute
Musik, guter Sound - gute Vorgruppe. Während des zweiten
Stücks drückte sich übrigens Don Airey, von den
meisten Zuschauern unbemerkt, auf der linken Seite der Bühne
herum.
Dann betraten, nach der üblichen Umbaupause, die fünf
Deep Purple-Musiker die Bühne und legten sofort furios mit
"Pictures Of Home" los - allerdings nur bis zum ersten
Refrain, wo Ian Gillan nur noch mit Paiceys Schlagzeug im
Rücken sang - Stromausfall auf der Bühne! Roger bot
seinen Bass dem Publikum an, nach dem Motto "Hier, ist
sowieso kaputt!", Paicey überbrückte eine gute
Minute mit einem improvisierten Solo, Gillan hatte schon seine
Mundharmonika in der Hand (leider kam sie nicht zum Einsatz) -
aber irgendwann war klar, dass die Fehlersuche einige Minuten
länger dauern würde. Mit zwei Ansagen hielt der
Sänger das Publikum bei Laune. Als der Strom
wieder da war, ging es nahtlos an der Stelle weiter, wo
sie aufgehört hatten.
Die Jungs hatten offensichtlich viel Spaß auf der Bühne, es
wurde sehr viel gelacht, Späße gemacht, hin und her gelaufen,
die Stimmung sowohl auf der Bühne als auch in der relativ
kleinen Nordseehalle war sehr gut (abgesehen von den
obligatorischen alkoholsierten Chaoten, die mitten im Konzert
meinen, sie müssten jetzt mal erste Reihe Mitte stehen, um
sich dann nach fünf Minuten ihrer Konfirmandenblase zu
erinnern...) - aber:
Die Setliste war eindeutig eine Rückkehr zu alten
Sünden. Wie oft ist darüber diskutiert worden, dass
viele Fans keinen x-ten Aufguss einer "Best-of"-Show
haben wollen, sondern dass die Setliste Überraschungen
enthalten muss, dass neuere Songs von "Purpendicular",
von "Abandon", von "Bananas", von "Rapture Of The Deep"
gespielt werden sollen und nicht immer nur die alten Kracher. Die
Songauswahl während des ersten Teils der Tour (z.B. in
Dortmund oder Wetzlar) war einfach super, was auch die Mehrzahl
der positiven Kritiken zeigt. Um so unverständlicher, dass
die Zuschauer in Emden folgendes geboten bekamen:
Pictures Of Home
Things I Never Said
Hush
Rapture Of The Deep
Strange Kind Of Woman
Living Wreck
Steve Morse Solo
Fireball
When A Blind Man Cries
Lazy
Don Airey Solo
Perfect Strangers
Space Truckin'
Highway Star
Smoke On The Water
Zugaben:
"Too much"-Blues
Black Night
Ergo: Zwei Songs vom neuen Album, alles andere mindestens 22 Jahre
alt. Im Don Airey-Solo schimmerte das Star Wars-Thema
und die deutsche Nationalhymne ebenso wie Mozarts "Alla
Turca" durch - welche Überraschung. Gillan schien einige
Probleme mit der Stimme zu haben, zumindest musste er einige Male
hustend aussetzen, allerdings konnte ich seinen Gesang direkt vor
der Bühne nicht sehr deutlich hören - was ankam, klang
aber ok, bis auf die Schreie, die hätte er an diesem Abend
lieber komplett weglassen sollen. Wahrscheinlich ist es auf die
Stimmprobleme zurückzuführen, dass wir nur eine
improvisierte Blues-Zugabe ("I had too much to drink last
night" - Mundharmonika - "I had too much sex last
night" - Mundharmonika usw.) und "Black Night" zu
hören bekamen. Um 22:45 war das Konzert dann auch schon
vorbei - die Pfiffe aus dem Publikum nach der arg kurzen Zugabe
wurden durch das Einschalten des Saal-Lichts beendet.
Fazit: wer in Emden zum ersten Mal auf einem Deep Purple-Konzert
war, war sicherlich begeistert. Die Stimmung auf der Bühne
und im Saal war wirklich sehr gut, die Band spielte kraft- und
lustvoll wie eh und je, es waren alle bekannten Krachersongs
dabei. Für den etwas häufigeren Deep
Purple Konzertbesucher war die Setliste, besonders im Vergleich
zum ersten Teil der Tour, allerdings eine Enttäuschung.
|