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von Andree Schneider
Mein (gewagter) Tipp: Das Album
wird das hohe Niveau von "Bananas" erreichen.
Wer mein Review
über die knapp 15-minütige Promoversion gelesen
hat, kennt diese Aussage. Und jetzt, nachdem ich mir die 50-minütige
Komplettversion mehrfach reingezogen habe, kann ich glücklicherweise
bei meiner Aussage bleiben.
Ist allerdings immer so eine Sache, Alben miteinander zu vergleichen,
schließlich hat jedes seinen eigenen Charakter. "Bananas"
ist in meinen Ohren ein Geniestreich der besonderen Sorte.
Das Album war wie eine frische Sommerbrise. Die Band klang
so unbeschwert wie schon lange nicht mehr, und genau das habe
ich an "Bananas" so geliebt. Das ganze Album war
zudem sehr eingängig und klang wie aus einem Guss.
Für "Rapture Of The Deep" braucht man hingegen
einige Durchläufe, denn die Kompositionen sind nicht
so leicht zugänglich wie beim Vorgängeralbum. Richtig
schwere Kost wird da zum Teil serviert. Das Album ist wesentlich
experimenteller und vielschichtiger als "Bananas".
Wenn man "Rapture Of The Deep" überhaupt mit
einem anderen Deep Purple-Album vergleichen kann, dann noch
am ehesten mit "Fireball", denn das hatte ebenfalls
einen leicht psychedelischen Touch.
Aber so etwas plant die Band natürlich nicht. Die Jungs
gehen ins Studio, jammen drauf los und lassen sich selbst
vom Endresultat überraschen.
Wer "Rapture Of The Deep" etwas Zeit gibt wird die
gleiche Erfahrung machen wie ich: Das Album wächst mit
jedem Durchlauf. Ich bin jedenfalls inzwischen ziemlich begeistert!
Negative Aspekte
"Rapture Of The Deep" hat viele großartige
Momente und nur wenige nicht ganz so großartige;-) Von
Deep Purple erwartet man immer etwas ganz besonderes, und
deshalb fallen Songs wie "Girls Like That", "Don`t
Let Go" und "Back To Back" da für mich
leider durch´s Raster. Sie verfügen in meinen Ohren
nicht über das bestimmte Etwas, klingen für Purple-Verhältnisse
zu gewöhnlich. Aber da Musik bekanntermaßen Geschmacksache
ist, wird das sicher nicht jeder so sehen.
Damit sind die Schwachpunkte des Albums allerdings auch schon
abgehandelt. Nun komme ich zu den positiven Aspekten!
Positive Aspekte
"Ganz besonderes" liefert die Band mit "Money
Talks", "Wrong Man", "Clearly Quite Absurd",
"Kiss Tomorrow Goodbye", "Junkyard Blues"
und "Before Time Began". "Gaaaaaaanz besonderes"
liefern Deep Purple mit "Rapture Of The Deep". Dieser
Song verdient es wirklich, Titelsong zu sein. Das orientalische
Grundthema hätte auch Ritchie zu besten Rainbow-Zeiten
einfallen können. Jedenfalls frisst sich die Melodie
ziemlich schnell ins Hirn. Ian Gillan singt derart geil, dass
einem ein Schauer nach dem anderen über den Rücken
läuft. Dieser Song hat das Zeug zum Klassiker. Für
mich das absolute Highlight des Albums.
Die Ballade "Clearly Quite Absurd" ist der Nachfolger
von "Sometimes I Feel Like Screaming". Fantastisch!
Ian Gillan singt derart geil, dass einem ein Schauer nach
dem anderen... Scheiße, ich wiederhole mich;-)
"Money Talks" ist der Album-Opener. Beim Orgel-Intro
musste ich unweigerlich an Jon Lords Orgelgetöse am Anfang
von "Lazy" auf "Made In Japan" denken.
"Big Ian" überrascht zum Teil mit Sprechgesang
- ungewohnt zwar, aber auch ungewöhnlich gut. Plötzlicher
Break - ein orientalisch anmutender Teil mit Hammergesang
folgt - Gillan at his best. Klasse Refrain.
"Wrong Man" ist heavy, sehr heavy, groovt mit tiefer
gestimmter Gitarre wie die Hölle. Bitte beherzigen: Laut
hören!!! Kommt gut, enorm gut.
Bei "Junkyard Blues" haut Don Airey in die Klaviertasten
und liefert sich ein schönes Duell mit Steve Morse. Der
Song ist gar nicht mal so bluesig wie man auf Grund des Titels
meinen könnte. Ist eher eine harte Rocknummer mit einem
tollen Refrain.
Die Abgehnummer "Kiss Tomorrow Goodbye" bläst
den Staub vom Laser. Da wird Paicey live ganz schön ins
Schwitzen kommen;-)
"Before Time Began" ist eines der bemerkens-
wertesten Deep Purple-Stücke, die ich je gehört
habe. Seeeeehr experimentell, mystisch, melancholisch, psychedelisch,
fast schon theatralisch, extrem abwechslungsreich, vollkommen
untypisch und vielleicht gerade deshalb so gut. Instrumental
leisten Deep Purple hier Schwerstarbeit. Ob Paicey, Steve,
Don oder Roger - jeder zeigt sich von seiner virtuosen Seite.
Der Song verbreitet eine ganz besondere Stimmung. Ein kleines
Meisterwerk halt. Garantiert nichts zum Nebenbeihören.
Sehr beeindruckend. "Gaaaanz großes Kino",
würde einer meiner Kumpels sagen.
Deep Purple sind mit "Rapture Of The Deep" garantiert
nicht den sicheren Weg gegangen. Aber wie schon erwähnt
- das planen die Jungs eh nicht. Das passiert einfach. Tja,
sie sind halt immer noch für eine Überraschung gut.
Wie lange sind sie schon im Geschäft? ... Waaas? Sooooo
lange schon??? Respekt!
9 von 10 Punkten
1. Money Talks (05:32)
2. Wrong Man (04:53)
3. Girls Like That (04:02)
4. Rapture Of The Deep (05:55)
5. Clearly Quite Absurd (05:25)
6. Don't Let Go (04:33)
7. Back To Back (04:04)
8. Kiss Tomorrow Goodbye (04:20)
9. Junkyard Blues (05:33)
10. Before Time Began (06:31)
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