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Deep Purple: Die Geschichte einer Band
(Buch von Jürgen Roth und Michael Sailer, Hannibal Verlag, Hardcover mit Schutzumschlag, 528 Seiten, ISBN 3- 85445-251-9, Deutschland, August 2005)

von Andree Schneider

Roger Glover hat mal zu mir gesagt, dass nur ein Bandmitglied in der Lage sei, die Geschichte von Deep Purple zu erzählen. Eines Tages werde er vielleicht einmal niederschreiben, wie sich die Geschichte von Deep Purple wirklich zugetragen habe.

Spätestens jetzt, nachdem ich das 528 Seiten starke Werk der Autoren Roth und Sailer gelesen habe, kann ich Roger vollauf verstehen. Dass Quantität nicht gleichzusetzen ist mit Qualität, belegt dieses Buch einmal mehr. Damit will ich sagen, dass das akribische Zusammentragen von Daten und Fakten noch lange kein gutes Buch ausmacht. Auch aus den schönsten Zutaten entsteht noch lange kein schmackhaftes Essen, wenn die Köche den Brei verderben. Wer sind die Köche? Jürgen Roth konvertierte laut eigenem Bekunden einst mit "Speed King" zur Rockmusik und Michael Sailer ist Musiker und Redakteur des Musikexpress.

Sorry, aber von jemandem, der ein Buch über die Geschichte einer Band wie Deep Purple schreibt, erwarte ich eine positive Grundhaltung gegenüber eben dieser Band. Den Herren Roth und Sailer muss man jedoch leider eine negative Grundhaltung bescheinigen. Sicher ist das ihre Entscheidung, aber gut finden muss ich das deshalb noch lange nicht.
Jedenfalls nahm meine anfängliche Begeisterung mit fortschreitender Seitenzahl rapide ab und sank schließlich nahezu auf den Nullpunkt. Ich musste mich förmlich zwingen, dieses Werk zu Ende zu lesen, um ein Review verfassen zu können. Traurig, aber wahr...

Es wurde ohne Zweifel intensiv recherchiert und selbst als Kenner der Deep Purple-Materie erfährt man viel Neues. Aber die gesamte Geschichte von Deep Purple wird von wenigen Ausnahmen abgesehen derart negativ dargestellt, dass man sich fragt, was die Autoren mit diesem Buch eigentlich bezwecken wollen (außer Geld zu verdienen). Bitte versteht mich nicht falsch: Kritiklose Lobhudeleien braucht natürlich auch niemand. Konstruktive Kritik ist so etwas wie das Salz in der Suppe, weil ansonsten der Eindruck des bedingungslosen Abfeierns entsteht. Und sicher haben Roth und Sailer auch Recht mit dem so oft kindischen, unberechenbaren oder auch boshaften Verhalten der "Rockstars", aber ihre Beurteilungen der Songs, insbesondere denen der Mark III und IV-Phase, werden dieser einzigartigen Band nicht gerecht. Das Paradoxe: Die beiden reiten so oft auf persönlichen Entgleisungen der einzelnen Musiker herum, dass man sich fragt, warum Deep Purple damals eigentlich die "beste/erfolgreichste Hardrockband der Welt" waren?!? (Das sagen sie ja auch selber.) Das musikalische Können der Deep Purple-Musiker und die Vielseitigkeit der Kompositionen werden insgesamt viel zu wenig geschildert geschweige denn gewürdigt. Schließlich haben die Jungs selbst unter Stress-Situationen meistens herausragende Leistungen abgeliefert. Als Autor sollte man ein Mindestmaß an Objektivität wahren, was zwar schwierig, aber sicher nicht unmöglich ist. Immerhin hatte jede Besetzung von Deep Purple ihre Reize - für den einen Fan mehr, für den anderen weniger. Aber die eigene Meinung dergestalt rüberzubringen als sei es die einzig wahre ist nichts weiter als Anmaßung gepaart mit Größenwahn und einer gehörigen Portion Arroganz.
Beispiele gefällig?
Auszüge von Seite 247, über das Album "Burn": "Burn" ist... ein unheitliches Sammelsurium aus versiert gespieltem Durchschnittsrock, aufgeschäumten Großbombast, modernistischen Irrungen und nur teilweise trittsicheren Schritten Richtung Soul, Funk und Blues, das... den Hörer verwirrt und mit dem Eindruck einer Band zurücklässt, die nicht von musikalischen oder/und persönlichen Gemeinsamkeiten zusammengehalten wird. ...Es ist, von Anfang bis Ende, die harte, streckenweise überzeugende, aber nie mitreißende, begeisternde, erhebende Arbeit von fünf Mitgliedern einer, man muss das so sagen: recht angestrengten und freudlosen Arbeitsgemeinschaft, deren Feuer, wie die Coverrückseite suggeriert, erloschen ist.
Auszug von Seite 270, über "Soldier Of Fortune": Unter dem meterdick draufgeschlonzten Schmalzbelag verbirgt sich eine recht anständige Harmonie- und Melodieführung, die vielleicht auch Kansas an einem müden Tag hätte einfallen können...
Auszug von Seite 305, über Mark IV: Es kann nicht bestritten werden, dass einige Konzerte der Tournee über das mindestens bedenkliche Gesamtniveau der musikalischen Darbietungen hinausragen, wenige sogar einigermaßen gelingen, etwa das... später unter dem Titel "On The Wings Of A Russian Foxbat" veröffentliche am 27. Februar in der Long Beach Arena. Aber solche musikalischen Erfolge inklusive des selbst hier enervierend unbeholfenen Geholzes von Tommy Bolin können niemanden mehr trösten oder auch nur groß erfreuen.
Die Liste ließe sich beliebig fortführen...

Klaro - das mit den Zitaten ist das natürlich so eine Sache. So wird auch unserem Fan Club die zweifelhafte Ehre zuteil, in diesem Buch häufig zitiert zu werden (nein, wir wurden zuvor nicht gefragt, was prinzipiell auch nicht weiter schlimm ist). Allerdings muss für einen Außenstehenden der Eindruck entstehen, wir seien in Wahrheit ein Anti-Deep-Purple-Fan-Club, denn zu 98 % werden nur negative Statements wiedergegeben. Die überwiegend positive Berichterstattung des Aviator-Fanzines über Deep Purple fällt hingegen fast gänzlich unter den Tisch. Ironie: Als "Ausgleich" dafür werden mehrfach Originalzitate der Deep Purple-Musiker aus The Aviator-Exklusiv-Interviews wiedergegeben, ohne die Quelle zu nennen... Nicht gerade die feine englische Art. Apropos - wie gut, dass dieses Buch laut Auskunft des Hannibal-Verlages voraussichtlich nicht ins Englische übersetzt wird, denn es wäre mir nicht recht, wenn den Deep Purple-Musikern ein derart falsches Bild von unserem Fan-Club vermittelt würde. Sollten die Herren Roth und Sailer diese Zeilen lesen (was vermutlich der Fall sein wird) und eine weitere Auflage des Buches in Erwägung ziehen, so habe ich eine Bitte: Lassen Sie Zitate unseres Fan-Clubs außen vor. Herzlichen Dank!

Immerhin ist den Autoren aber nicht entgangen, dass das "Who Do We Think We Are"-Album gar nicht so schlecht ist wie sein Ruf, dass die "The Battle Rages On"-Tour die besten Konzerte der reformierten Mark II-Besetzung gebracht hat und "Bananas" ein sehr gutes Album ist. Donnerwetter! Damit haben sie mich dann aber doch überrascht...

Was hat mir sonst noch missfallen?
Die Ausdrucksweise der Autoren habe ich häufig als störend empfunden. Ich habe gewiss nichts gegen Fremdwörter, aber ab und zu gehen den Autoren die Pferde durch: Bandwurmsätze werden mit möglichst vielen Fremdwörtern zusammengebastelt - für mein Empfinden eine vollkommen unnatürliche Ausdrucksweise, die bisweilen ziemlich nervt.
Fotos sucht man in dem Buch leider vergeblich. Diese hätten dem Buch aber mit Sicherheit hier und da auch gut getan und die ganze Sache ein wenig aufgelockert. Aber vermutlich wurde hierauf aus Kostengründen verzichtet.
Und warum haben die Autoren nicht versucht, speziell für dieses Buch Interviews mit einigen Deep Purple-Musikern zu führen? Auf diese Weise hätte man zielgerichtet Fragen zur purpurnen Geschichte stellen können und hätte die Antworten aus erster Hand erhalten.

Fazit:

Für mich persönlich ist das Buch im Großen und Ganzen ein einziges Ärgernis. Deshalb nur

3 von 10 Punkten