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Roger Glover & The Guilty Party: If Life Was Easy
(2011)

von Hans-Jürgen Küsel

1. Don't look now (Everything has changed)
2. The Dream I had
3. Moonlight
4. The Car won't start
5. Box of Tricks
6. If Life was easy
7. Stand together
8. Welcome to the Moon
9. Set your Imagination free
10. When Life gets to the Bone
11. When the Day is done
12. Get away (can't let you)
13. Staring into Space
14. The Ghost of your Smile
15. Cruel World
16. Feel like a King

Vorbemerkung

Die Deep Purple-Musik ist so vielschichtig, dass auch die Wege der Fans sehr unterschiedlich sind. Es gibt viele Fans, die aus der 'Hard & Heavy'-Szene kommen und es gibt ebenso viele Fans, die Deep Purple als Weiterentwicklung der Rockmusik der 60er Jahre sehen, die also einen gänzlich anderen Background haben (und natürlich gibt es Fans, die auf noch ganz anderen Wegen zu DP gelangten). Ich gehöre zu jenen, die aus der 60er-Jahre-Bewegung stammen, die also einen relevanten Teil der Rockmusikentwicklungen jener Zeit schon recht bewusst miterlebt haben (und die diese Wurzeln ihres eigenen Musikgeschmacks bis zum heutigen Tage hochhalten). Ich schreibe dies, weil es meiner tiefen Überzeugung entspricht, dass ich, quasi als Kind der Sixties das hier zu besprechende Album anders (und positiver) beurteile als jemand, der außer DP Bands wie Black Sabbath, Uriah Heep, Led Zeppelin, AC/DC etc. pp. favorisiert. Und ich finde es völlig legitim, wenn Letztere meine Beurteilung im Forum hart kritisieren.

Zum Album

Große Rockmusiker zeichnen sich dadurch aus, dass sie musikalische Grenzgänger sind, dass sie also niemals nur eindimensional jene Musikrichtung im Fokus haben, die sie mit ihrer Hauptband hauptsächlich verfolgen, sondern stets nach rechts und links (und in noch ganz andere Richtungen) schauen, was sich sonst noch tut. Insofern sind alle (nicht nur gegenwärtigen) Deep Purple-Mitglieder musikalische Grenzgänger, was der Komplexität und Variabilität ihrer Musik stets zugute kommt. In Projekten abseits dieser Band zeigen sie dann besonders eindrucksvoll, welche musikalischen Wurzeln sie außerdem noch umtreiben.

In diesem Licht muss man auch die Solo-Projekte von Roger Glover sehen. Sie haben allesamt wenig Ähnlichkeit mit dem, was man von Deep Purple gewohnt ist. Roger zeigt hier vielmehr oft, dass wichtige Wurzeln seines eigenen Musikverständnisses in den 60er Jahren liegen.

Das gilt auch für sein jüngstes Werk "If Life was easy". Als ich dieses Album zum ersten Mal hörte, überkamen mich eher gemischte Gefühle. Ich war der Meinung, dass dieses Album an "Snapshot" nicht heranreiche. Zum einen hatte mich der 'Übersong' "The Bargain Basement" von jenem Album überzeugt, zum anderen der Tatbestand, dass Randall Bramblett in der musikalischen Gestaltung eine deutlich größere Rolle spielte als im neuen Album. Bramblett hatte diversen Stücken eine sehr angenehme Portion "Traffic" mitgegeben. In "If Life was easy" tritt er ein wenig in den Hintergrund. Roger Glover nimmt auch bei der musikalischen Gestaltung eine recht dominante Rolle ein. Nach mehrmaligem Hören aber verschwanden die gemischten Gefühle und wichen der Überzeugung, dass Glover & Co. auch hier wieder ein vorzügliches Album gelungen ist.

Rogers Vorliebe für Konzeptalben (wie sie in den 60er Jahren von den Beatles, den Who oder den Kinks gebracht wurden) ist hier musikalisch nicht zu erkennen, wohl aber über die Lyrics. Die Sixties waren auch ein Jahrzehnt der großen (und oft auch politisch engagierten) Songwriter, "einer langen Reihe von Musikern, die aus der Welt einen besseren Ort machen wollten" (Graham Nash). Das trat mir dieser Tage noch einmal besonders ins Bewusstsein, als einer ihrer Größten, Pete Seeger, von uns ging.

Roger ist mittlerweile seit Jahrzehnten integraler Teil dieser Songwriter-Tradition. Seine (und Ian Gillans) Vorgehensweise, Dinge, die ihm wirklich passiert sind, in Songs zu verarbeiten, kann man als 'impressionistischen Realismus' bezeichnen (bitte keinen Schubladenbegriff daraus machen!). Und tatsächlich kann man von der Lyrik her schon von einem Konzeptalbum sprechen. Der Titel ist hier durchaus Programm. Was wäre, wenn das Leben leicht wäre, wenn es uns Tiefschläge, wie Scheidungen, den Verlust der Mutter, erlebte gesellschaftliche Ungerechtigkeiten u. a. ersparen würde? (Roger schildert diesbezüglich nur Ereignisse, die ihm im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts wirklich widerfahren sind). Könnten wir dann überhaupt noch erfreuliche Ereignisse, wie neu gewonnene Liebe, die wunderbare Entwicklung der eigenen Kinder u. ä., als die erfreulichen Höhepunkte wahrnehmen, die sie sein sollten? Oder besteht nicht vielmehr die Gefahr, dass ein 'leichtes' Leben zugleich ein gleichförmiges, überraschungsarmes, mithin langweiliges Leben ist? Die Antwort müssen wir (verdammt nochmal) schon selber finden.

Weil Roger das, was er in den Songs verarbeitet, wirklich selber erlebt hat, spielen Gefühle eine überaus große Rolle. Gefühle in Songs zu übertragen, bedeutet, auf einem verdammt schmalen Grat zu wandeln. Groß ist die Gefahr, dass zu dick aufgetragen wird und der Song nicht mehr authentische Gefühle überträgt, sondern schlichten Kitsch. Groß ist auch die Gefahr, dass man die Gefühle unter einem Berg aus Metaphernwust (wie viele tausend Mal haben wir schon den Rubikon überschritten?) begräbt und man dann aus allem überhaupt nicht mehr schlau wird. Roger vermeidet beide Gefahren souverän - und erweist sich damit als wirklich großartiger Songwriter.

Musikalisch sind sehr unterschiedliche Einflüsse und Quellen erkennbar. Natürlich greift Roger auch diesbezüglich auf eigene musikalische Erfahrungen zurück, aber er unterlässt es nicht, andere Songwriter und Stile zu würdigen. Dabei treten unterschiedliche Musiker auf. Besonders viel Wert legt Roger auf den Gesang. Alle hier auftretenden Sänger und Sängerinnen überzeugen, auch er selbst. Mein Favorit ist "The Ghost of your Smile". Hier schaut mein Dylan-Liebling "Like a Rolling Stone" nicht nur mit einem Auge, sondern gleich mit dem ganzen Kopf hinein. Mickey Lee Soule beweist, dass er nicht nur ein hervorragender Orgel- und Bass-Techniker ist, sondern auch vorzüglich singen kann. Randall Bramblett spielt hier die Hammond-Orgel und er spielt sie (was ich sehr gerne höre) in der Art von Steve Winwood.

Hervorzuheben sind (natürlich) auch die Songs, in denen Rogers Tochter Gillian singt. Auf diesem Album beweist sie ihre Wandlungsfähigkeit, ihre Fähigkeit, unterschiedlichen Musikstilen ihren ganz eigenen Stempel aufzudrücken. "Moonlight" ist eine Bluesballade, die im Stil etwas an "Oh Darling" von den Beatles erinnert. Besonders fein kommt Gillians Stimme im Folklore- Song "Set your Imagination free" heraus. Diesen Song habe ich einmal mit geschlossenen Augen gehört und dachte sofort an die wunderbare Joni Mitchell. Am Ende schwingt sich Gillian sogar dazu auf, praktisch wie Annie Haslam zu singen. "Get away (can't let you)" ist ein Big-Band-Song mit starkem Bläser-Background. Auch in diesem Metier fühlt sich Gillian offenbar sehr wohl. Man könnte denken, hier spiele die Count Basie-Band und der Gesang stamme von Ella Fitzgerald.

Auch Roger selbst tritt wiederholt als Sänger auf - und man stellt sich verdutzt die Frage, warum er das nicht schon viel öfter getan hat. Zuweilen erinnert mich seine Stimme (vor allem wenn er in tiefen Tonlagen singt) an die Stimme von Van Morrison (vgl. Van Morrison/Chris Farlowe "Sitting on the Top of the World"). In "When Life gets to the Bone" singt er wie Leonard Cohen (auch "When the Day is done" ist ein Song im Stil von Leonard Cohen, aber hier heißt der Sänger Walther Gallay). Ganz fein finde ich den Song "Staring into Space", in dem Roger mit dem karibischen Touch offenbar den großen Harry Belafonte würdigt. Der Titelsong "If Life was easy" kommt ein wenig im Country & Western-Stil daher, überwiegend akustisch begleitet. Im Refrain schauen auch einmal die Beatles kurz herein. Aber Roger kann nicht nur singen oder den Bass (ab und an spielt er einen bundlosen Akustikbass) spielen, sondern auch Gitarre und Keyboards. Man wundert sich sehr.

Am Ende möchte ich noch Oz Noy erwähnen, der in einigen Songs eine ausgezeichnete Leadgitarre spielt. Sein Stil erinnert mich sehr an den Stil von Mark Knopfler.

Das Booklet enthält überwiegend die Lyrics der Albumsongs.

Hans-Jürgen Küsel