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von Hans-Jürgen Küsel
1. Don't look now (Everything has changed)
2. The Dream I had
3. Moonlight
4. The Car won't start
5. Box of Tricks
6. If Life was easy
7. Stand together
8. Welcome to the Moon
9. Set your Imagination free
10. When Life gets to the Bone
11. When the Day is done
12. Get away (can't let you)
13. Staring into Space
14. The Ghost of your Smile
15. Cruel World
16. Feel like a King
Vorbemerkung
Die Deep Purple-Musik ist so vielschichtig, dass
auch die Wege der Fans sehr unterschiedlich sind. Es
gibt viele Fans, die aus der 'Hard & Heavy'-Szene
kommen und es gibt ebenso viele Fans, die Deep
Purple als Weiterentwicklung der Rockmusik der 60er
Jahre sehen, die also einen gänzlich anderen
Background haben (und natürlich gibt es Fans,
die auf noch ganz anderen Wegen zu DP
gelangten). Ich gehöre zu jenen, die aus der
60er-Jahre-Bewegung stammen, die also einen
relevanten Teil der Rockmusikentwicklungen jener
Zeit schon recht bewusst miterlebt haben (und die
diese Wurzeln ihres eigenen Musikgeschmacks bis zum
heutigen Tage hochhalten). Ich schreibe dies, weil
es meiner tiefen Überzeugung entspricht, dass
ich, quasi als Kind der Sixties das hier zu
besprechende Album anders (und positiver) beurteile
als jemand, der außer DP Bands wie Black
Sabbath, Uriah Heep, Led Zeppelin, AC/DC
etc. pp. favorisiert. Und ich finde es völlig
legitim, wenn Letztere meine Beurteilung im Forum
hart kritisieren.
Zum Album
Große Rockmusiker zeichnen sich dadurch aus,
dass sie musikalische Grenzgänger sind, dass
sie also niemals nur eindimensional jene
Musikrichtung im Fokus haben, die sie mit ihrer
Hauptband hauptsächlich verfolgen, sondern
stets nach rechts und links (und in noch ganz andere
Richtungen) schauen, was sich sonst noch
tut. Insofern sind alle (nicht nur
gegenwärtigen) Deep Purple-Mitglieder
musikalische Grenzgänger, was der
Komplexität und Variabilität ihrer Musik
stets zugute kommt. In Projekten abseits dieser Band
zeigen sie dann besonders eindrucksvoll, welche
musikalischen Wurzeln sie außerdem noch
umtreiben.
In diesem Licht muss man auch die Solo-Projekte von
Roger Glover sehen. Sie haben allesamt wenig
Ähnlichkeit mit dem, was man von Deep Purple
gewohnt ist. Roger zeigt hier vielmehr oft, dass
wichtige Wurzeln seines eigenen
Musikverständnisses in den 60er Jahren liegen.
Das gilt auch für sein jüngstes Werk
"If Life was easy". Als ich dieses Album
zum ersten Mal hörte, überkamen mich eher
gemischte Gefühle. Ich war der Meinung, dass
dieses Album an "Snapshot" nicht
heranreiche. Zum einen hatte mich der
'Übersong' "The Bargain Basement" von
jenem Album überzeugt, zum anderen der
Tatbestand, dass Randall Bramblett in der
musikalischen Gestaltung eine deutlich
größere Rolle spielte als im neuen
Album. Bramblett hatte diversen Stücken eine
sehr angenehme Portion "Traffic"
mitgegeben. In "If Life was easy" tritt er
ein wenig in den Hintergrund. Roger Glover nimmt
auch bei der musikalischen Gestaltung eine recht
dominante Rolle ein. Nach mehrmaligem Hören
aber verschwanden die gemischten Gefühle und
wichen der Überzeugung, dass Glover & Co. auch
hier wieder ein vorzügliches Album gelungen
ist.
Rogers Vorliebe für Konzeptalben (wie sie in
den 60er Jahren von den Beatles, den Who oder den
Kinks gebracht wurden) ist hier musikalisch nicht zu
erkennen, wohl aber über die Lyrics. Die
Sixties waren auch ein Jahrzehnt der großen
(und oft auch politisch engagierten) Songwriter,
"einer langen Reihe von Musikern, die aus der
Welt einen besseren Ort machen wollten" (Graham
Nash). Das trat mir dieser Tage noch einmal
besonders ins Bewusstsein, als einer ihrer
Größten, Pete Seeger, von uns ging.
Roger ist mittlerweile seit Jahrzehnten integraler
Teil dieser Songwriter-Tradition. Seine (und Ian
Gillans) Vorgehensweise, Dinge, die ihm wirklich
passiert sind, in Songs zu verarbeiten, kann man als
'impressionistischen Realismus' bezeichnen (bitte
keinen Schubladenbegriff daraus machen!). Und
tatsächlich kann man von der Lyrik her schon
von einem Konzeptalbum sprechen. Der Titel ist hier
durchaus Programm. Was wäre, wenn das Leben
leicht wäre, wenn es uns Tiefschläge, wie
Scheidungen, den Verlust der Mutter, erlebte
gesellschaftliche Ungerechtigkeiten u. a. ersparen
würde? (Roger schildert diesbezüglich nur
Ereignisse, die ihm im ersten Jahrzehnt dieses
Jahrhunderts wirklich widerfahren
sind). Könnten wir dann überhaupt noch
erfreuliche Ereignisse, wie neu gewonnene Liebe, die
wunderbare Entwicklung der eigenen Kinder
u. ä., als die erfreulichen Höhepunkte
wahrnehmen, die sie sein sollten? Oder besteht nicht
vielmehr die Gefahr, dass ein 'leichtes' Leben
zugleich ein gleichförmiges,
überraschungsarmes, mithin langweiliges Leben
ist? Die Antwort müssen wir (verdammt nochmal)
schon selber finden.
Weil Roger das, was er in den Songs verarbeitet,
wirklich selber erlebt hat, spielen Gefühle
eine überaus große Rolle. Gefühle in
Songs zu übertragen, bedeutet, auf einem
verdammt schmalen Grat zu wandeln. Groß ist
die Gefahr, dass zu dick aufgetragen wird und der
Song nicht mehr authentische Gefühle
überträgt, sondern schlichten
Kitsch. Groß ist auch die Gefahr, dass man die
Gefühle unter einem Berg aus Metaphernwust (wie
viele tausend Mal haben wir schon den Rubikon
überschritten?) begräbt und man dann aus
allem überhaupt nicht mehr schlau wird. Roger
vermeidet beide Gefahren souverän - und erweist
sich damit als wirklich großartiger
Songwriter.
Musikalisch sind sehr unterschiedliche
Einflüsse und Quellen erkennbar. Natürlich
greift Roger auch diesbezüglich auf eigene
musikalische Erfahrungen zurück, aber er
unterlässt es nicht, andere Songwriter und
Stile zu würdigen. Dabei treten
unterschiedliche Musiker auf. Besonders viel Wert
legt Roger auf den Gesang. Alle hier auftretenden
Sänger und Sängerinnen überzeugen,
auch er selbst. Mein Favorit ist "The Ghost of
your Smile". Hier schaut mein Dylan-Liebling
"Like a Rolling Stone" nicht nur mit einem
Auge, sondern gleich mit dem ganzen Kopf
hinein. Mickey Lee Soule beweist, dass er nicht nur
ein hervorragender Orgel- und Bass-Techniker ist,
sondern auch vorzüglich singen kann. Randall
Bramblett spielt hier die Hammond-Orgel und er
spielt sie (was ich sehr gerne höre) in der Art
von Steve Winwood.
Hervorzuheben sind (natürlich) auch die Songs,
in denen Rogers Tochter Gillian singt. Auf diesem
Album beweist sie ihre Wandlungsfähigkeit, ihre
Fähigkeit, unterschiedlichen Musikstilen ihren
ganz eigenen Stempel
aufzudrücken. "Moonlight" ist eine
Bluesballade, die im Stil etwas an "Oh
Darling" von den Beatles erinnert. Besonders
fein kommt Gillians Stimme im Folklore- Song
"Set your Imagination free" heraus. Diesen
Song habe ich einmal mit geschlossenen Augen
gehört und dachte sofort an die wunderbare Joni
Mitchell. Am Ende schwingt sich Gillian sogar dazu
auf, praktisch wie Annie Haslam zu singen. "Get
away (can't let you)" ist ein Big-Band-Song mit
starkem Bläser-Background. Auch in diesem
Metier fühlt sich Gillian offenbar sehr
wohl. Man könnte denken, hier spiele die Count
Basie-Band und der Gesang stamme von Ella
Fitzgerald.
Auch Roger selbst tritt wiederholt als Sänger
auf - und man stellt sich verdutzt die Frage, warum
er das nicht schon viel öfter getan
hat. Zuweilen erinnert mich seine Stimme (vor allem
wenn er in tiefen Tonlagen singt) an die Stimme von
Van Morrison (vgl. Van Morrison/Chris Farlowe
"Sitting on the Top of the World"). In
"When Life gets to the Bone" singt er wie
Leonard Cohen (auch "When the Day is done"
ist ein Song im Stil von Leonard Cohen, aber hier
heißt der Sänger Walther Gallay). Ganz
fein finde ich den Song "Staring into
Space", in dem Roger mit dem karibischen Touch
offenbar den großen Harry Belafonte
würdigt. Der Titelsong "If Life was
easy" kommt ein wenig im Country & Western-Stil
daher, überwiegend akustisch begleitet. Im
Refrain schauen auch einmal die Beatles kurz
herein. Aber Roger kann nicht nur singen oder den
Bass (ab und an spielt er einen bundlosen
Akustikbass) spielen, sondern auch Gitarre und
Keyboards. Man wundert sich sehr.
Am Ende möchte ich noch Oz Noy erwähnen,
der in einigen Songs eine ausgezeichnete Leadgitarre
spielt. Sein Stil erinnert mich sehr an den Stil von
Mark Knopfler.
Das Booklet enthält überwiegend die Lyrics
der Albumsongs.
Hans-Jürgen Küsel
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