Farbenblind


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Abgeschickt von Thor am 20 Februar, 2010 um 05:39:05:

Antwort auf: Montreux 96: Vinyl vs. DVD von Crazy Horst am 18 Februar, 2010 um 23:23:54:

: Seit ich im Frühjahr 2008 über einen gebrauchten Linn Plattenspieler gestolpert bin und mit wachsender Begeisterung meine Plattensammlung aus dem Reich des Vergessens zurückhole, kaufe ich mir einzelne Neuerscheinungen, die ich schon als Silberling besitze, auf Vinyl nach.
: Montreux 1996 halte ich für das beste veröffentlichte Konzert mit Steve Morse und daher war natürlich klar, dass hier auch das große Schwarze her muss, wohl wissend, dass zu Zeiten des Digital Mastering hier ein latentes Risiko besteht: Bananas klingt auf Vinyl besser als auf CD, die Stormbringer Remaster ist ebenfalls fein, Live in London hat dagegen wenig Mehrwert gegenüber der CD zu bieten.
: Neulich hab ich mich nun also hingesetzt und die Neuerscheinung und Neuerwerbung „Live at Montreux 1996“ auf Vinyl mit der DVD verglichen.

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: Set-Up: Linn Axis Turntable, Panasonic DVD S 53, Yamaha Rx 797 Amp, Magnat Quantum 505 Boxen, Sennheiser Wireles Kopfhörer.

: Hauptproblem: Die DVD ist doppelt so laut wie die Schallplatte, was das Hinundherschalten zwischen den beiden Soundquellen zu einer potenziell ohrenbetäubenden Erfahrung macht. Um die gleiche Lautstärke zu erhalten, muss man also ständig den Volumenregler bedienen. Natürlich kann durch eine andere Outputlautstärke auch der Klang geringfügig verändert werden.

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: 1. Kurzer Hördurchgang mit Boxen (“Fireball”, “Ted”):

: Erster Eindruck: Gar kein Unterschied. Ich argwöhne sofort, dass dieses Vinyl nicht von der richtigen Quelle gemastert wurde (von den Originalbändern), sondern einfach vom Digital Master der CD heruntergezogen wurde.

: Zweiter Eindruck: Die DVD klingt knackiger, klarer und druckvoller, geht mächtig nach vorne ab, v.a. die Drums haben mehr Wumms. Das Vinyl erscheint dumpfer, auch leicht matschig, als könne sie den energetischen Beginn gar nicht so richtig einfangen.

: 2. Sorgfältiger Durchgang auf Kopfhörer mit Tone Control (treble auf +2,5, bass auf +1,5, loudness - 4)

: Die DVD klingt aggressiver, druckvoller: Der Gesamtsound ist einerseits klarer und knackiger und andererseits kohärenter, d.h. in sich geschlossener und dichter. Dadurch wirkt es sehr druckvoll und mitreißend. Der Stereoeffekt ist hörbar, aber dennoch tendieren alle Instrumente zur Mitte.

: Die Schallplatte hört sich deutlich weicher an und hat eine größere Räumlichkeit. Orgel und Gitarre stehen wesentlich weiter rechts und links und haben hier auch einen weiteren Bewegungsradius als auf der DVD. Drums und Bass wirken räumlich, nicht lautstärkemäßig nach hinten abgesetzt. All dies lässt in der Mitte mehr Raum für die Lead Vocals und stellt Ian Gillan etwas stärker in den Vordergrund.

: Technisch gesprochen könnte man sagen, dass das Frequenzspektrum der DVD konzentrierter und höhenlastiger ist, das der Schallplatte weiter nach unten reicht und diversifizierter ist.

: Die nächste Beobachtung ist der geringfügig andere Klang der einzelnen Instrumente. Etwas weniger geringfügig bei Ian Paice’s Bassdrum. Sie klingt wie eine richtige Bass Drum auf Vinyl, tief und voll, mit einem leichten natürlichen Nachhall. Die Bass Drum auf der DVD ist offenbar in einem gänzlich anderen Frequenzbereich angesiedelt, mehr im unteren Mittenbereich als im wirklichen Basspektrum. Das macht sie zunächst hörbarer, wird aber mit zunehmender Zeit etwas nervtötend. Was man zunächst als ordentlichen „Wumms“ gutheißt, wird zu einem irritierenden „Click“ oder „Tschack“, je länger und genauer man zuhört. Dieses „Tschack“ schält sich dann quasi als Begleitgeräusch heraus und lässt die Bassdrum etwas unnatürlich, fast wie ein gesampletes Drum klingen. Ein ähnlicher, jedoch schwächerer Effekt lässt sich für die Snaredrum beobachten.
: Es braucht eine eher ruhige Stelle, um auch bei anderen Instrumenten Unterschiede herauszuhören. Steve’s tolles Solo in „Black Night“ zeigt es dann. Dort wo er allein spielt, hört man auf Vinyl das Knacken des Verstärkers, das Anschlagen und Ziehen der Saiten, kleine Unterschiede in Lautstärke und Rhythmus, kurz: Einen Haufen Kleinigkeiten, die man auf der DVD vergeblich sucht. Hier tönt alles auf dem selben wohlgefälligen Einheitslevel. Wenn man es mal lokalisiert hat, hört man es auch in anderen Passagen, sehr zu Steves Vorteil: Seine schnellen Läufe, die oft als kalt, technisch und flach kritisiert werden, bekommen plötzlich eine unerwartete Tiefe und Farbe. Man könnte diesen Punkt totreiten: Steve ist zu schnell, um auf digitalen Medien angemessen eingefangen zu werden!!! Auch die Orgel, und mit Abstrichen der Bass warten auf Vinyl mit einer größeren Dynamik und rhythmischen Nuanciertheit auf.
: Überraschenderweise kommt auch Ian Gillan auf dem Vinyl besser weg. Er klingt zwar nicht wie 1971, aber die Stellen, in denen seine Stimme etwas dünn und quäkig wird, klingen kaum noch so auf der Schallplatte. Er hat mehr Tiefen in seiner Stimme, was sie volltönender macht und auch in schwierigen Passagen insgesamt einen souveräneren, weniger geplagten Eindruck ergibt. Gillan war bei dem Konzert ohnehin gut, auf Vinyl wird eine Klasseleistung draus.

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: 3. Durchgang mit Kopfhörer ohne Tone Control (Funktion “pure direct” aktiviert)

: Prinzipiell das selbe Resultat wie vorher, aber diesmal etwas vorteilhafter für die Schallplatte. Die stärker höhendominierte DVD wirkt nun doch deutlich flacher, eindimensionaler. Aber nach 80 Minuten Lärm auf dem Kopfhörer hört man vielleicht auch nicht mehr die selben Dinge wie zu Beginn.

: Noch eine Bauchbeobachtung: Ich stellte beim Hinundherschalten fest, dass ich beim Vinyl wesentlich länger kleben blieb, bevor ich wieder zur DVD schaltete als umgekehrt.

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: Fazit zum Sound:
: Das Vinyl ist nicht per se das überlegene Medium. Ich habe hier recht deutliche Unterschiede herausgearbeitet, doch muss man erstens genau hinhören, zweitens in Betracht ziehen, dass die Tonnadel meines Plattenspielers allein mehr kostet als der DVD Player. Bei gleichwertigen Abspielgeräten werden sich die Unterschiede wohl marginalisieren. Dies kann aber sicherlich auch damit zu tun haben, dass die Ausgangsquelle nicht wirklich optimal für Vinyl war.
: Insgesamt kann man trotzdem das bestätigen, was die meisten intuitiv vorhergesagt hätten:
: Vinyl ist näher am Ausgangssound, klingt natürlicher und weicher. Es lässt einen genau zuhören, während die DVD eine Menge Spass in einer Kick Ass Rock’n’ Roll Show bietet. Die DVD überwältigt einen mit ihrem mächtigen und glattpolierten Sound, die Schallplatte lockt einen heran und lädt dazu ein, ihre Mysterien zu entdecken.
: Oder wie das mein Händler ausdrückt: Es KLINGT nicht besser, es SPIELT besser.

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: 4. Songauswahl und die Riesenverarschung der Reisegesellschaft

: Ich muss auch einige Worte darüber verlieren, welche Songs auf dieser Platte drauf sind, denn hier bewegen wir uns – wie leider immer - im suboptimalen Bereich.
: Auf Vinyl sind die selben Songs wie auf der zeitgleich zur DVD erschienenen CD. Das heißt die ersten drei Seiten sind von Montreux 96, auf Seite 4 hören wir „SIFLS“ und „Fools“ von Montreux 2000.
: So nett die zwei Songs auf Seite 4 auch sind, sie können bei weitem nicht den Energielevel von 1996 halten. Ich weiß nicht, woran das genau liegt, aber irgendwie habe ich den Eindruck, die Band hätte für diesen Gig ihren Songs einen leichten Walzertouch verpasst.

: Würde es sich bei diesen 2 Songs um echtes Bonusmaterial handeln, wäre dagegen nichts einzuwenden, gute Liveaufnahmen von „Fools“ sind eine echte Rarität, was ein echter Kaufanreiz wäre.
: WÄRE! Das Problem ist, was alles rausfallen musste, um Platz für diese sogenannten Bonustracks zu schaffen. Das sind einmal all die Kommentare und Ansagen zwischen den Songs. Das ist schade, denn Ian war 96 in Montreux sehr witzig, und hier Song auf Song vor den Latz geknallt zu bekommen nimmt etwas von der Konzertatmosphäre weg. Aber für einen Vinylpuristen wäre das sicherlich noch verzeihbar.
: Unverzeihbar ist dagegen, dass vom 96er Konzert „Cascades“ fehlt und dass „Speed King“ in der editierten Fassung vorliegt – das heißt ohne den langen Improvisationsteil am Ende, wo sich die Band in einen wahren Rausch spielt! Einmal brachten sie in der Morse-Besetzung wirklich alles das, was man von Deep Purple erwartet und was oft genug schon vermisst wurde – Duelle, Laut-Leise Dynamik, medleyartige Zwischenspiele - und irgendein Idiot schneidet es dann raus. Unfassbar, einfach UNFASSBAR!!! „Cascades“ war der andere Longtrack des Konzerts und ebenfalls ein Highlight, das die Vorzüge der Morse-Besetzung voll auslotete. Und da es von der damals aktuellen „Purpendicular“ Scheibe war, ein wichtiges Stück Bandgeschichte – immerhin war das ja die „Purpendicular“ Tour. Dieser Kontext wird nun zerissen, um zwei eher mittelmäßige Songs von einer völlig anderen Tour einzuflicken.
: Schon aus Prinzip möchte ich Live-Alben von einem kompletten Konzert kaufen und nicht irgendeine Flickschusterei. In diesem Fall wiegt das umso schwerer, weil die beiden Originalstücke um so viel besser sind als das, was wir als Ersatz geboten bekommen.
: Man könnte auch anzweifeln, ob es überhaupt nötig war, Platz zu schaffen. Seit Iron Maiden’s „Live After Death“ wissen wir, dass Doppel-LPs eine Spielkapazität von 100 Minuten haben. Da hätte das ganze Konzert in Originallänge locker draufgepasst und vielleicht sogar noch die Bonustracks!!

: Es ist unglaublich, dass bei Deep Purple Veröffentlichungen immer, immer, immer wieder solche irritierenden „Nachlässigkeiten“ vorkommen. Es drängt sich der Verdacht auf, das hat Methode. Lassen wir mal der Fantasie freien Lauf, wie das wohl im aktuellen Fall war:
: Wahrscheinlich hat irgendein Manager in der Plattenfirma als man die 96er DVD zusammenstellte bemerkt, dass noch 28 Minuten von der DVD leer waren. Bonusmaterial ist immer ein gutes Verkaufsargument und also hat man auf die DVD noch ein paar Sachen von Montreux 2000 noch mit draufgepackt. Nun hatte man also ein Produkt mit exzellentem Preis-Leistungs-Verhältnis und ein riesen Problem: Es würde die CD mit einer maximalen Spieldauer von 74 Minuten praktisch unverkäuflich machen. Wie erhält man also die Nachfrage nach der CD, veranlasst vielleicht die Fans, beides zu kaufen? Indem man die Spieldauer möglichst so reduziert, dass es nicht groß auffällt (Idioten wie ich bemerken ja den fehlenden Song erst mal gar nicht) und packt dann noch zwei von der DVD verschiedene Bonustracks drauf.
: Als man dann die LP machte, hat man einfach vergessen bzw. war es den Machern einfach nicht wichtig genug, dass man hier die Möglichkeit besessen hätte, die Fehler der CD-Veröffentlichung zu beheben und Vinylsammlern das zu geben, wofür sie Vinyl sammeln: Den echten Deal.

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: Unter dieser Perspektive wird diese Neuveröffentlichung wesentlich irrelevanter und bekommt den unschönen Beigeschmack, es gehe wieder mal drum, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen.
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: 5. Fazit

: Ist die Scheibe das Geld wert? Es ist definitiv das Geld wert, den einen oder anderen Ton/Bildträger von diesem Konzert zu besitzen. Für mich ist das eine der besten Gigs seit der Reunion und wahrscheinlich der beste, den man mit Steve Morse bekommen kann.
: Das Vinyl mag zwar die Energie etwas authentischer übertragen, wenn ich auswählen müsste, würde ich mich trotzdem für die DVD entscheiden, denn die bessere Songauswahl, die Möglichkeit alles ohne Unterbrechung zu hören und auch noch zu sehen macht die geringfügigen klanglichen Defizite mehr als wett.
: Als Zusatzkauf empfiehlt sich das nur für Komplettisten wie mich, die dieses großartige Konzert einfach auch auf dem tollsten verfügbaren Trägermaterial im Schrank stehen haben wollen und die an derartigen Soundexperimenten interessiert sind. Von den Konzerten der 1970er empfiehlt sich ja meist der Kauf des einen Konzerts auf DVD für die Optik (Copenhagen, California Jam) und des anderen auf CD/Vinyl für den besseren Sound (MIJ, LIL). Hier ist aber das beste Konzert schon auf Video – LATO ist zwar auch gut, aber nicht ganz so packend. Zu viel MIJ-Material…

Moin,
also es ist schon lustig, wenn du dich hier über
Schwarzweißmalerei beschwerst, denn du hast ja wohl nur noch den (Morse) Tunnelblick.
Wenn du diesen Schweizer Käse als`"Kick Ass Rock"
und Cascades als Highlight Song betitelst kann das nur an einer Gehörschwäche deinerseits oder an den lausigen Magnat-Speakern, mit denen man bestenfalls einen Hühneerstall beschallen kann,
liegen.
Zieh` dir doch mal die....russian foxbat rein...und vergleiche die mal mit Montreux 1996.

Der Sound wurde da nicht mal annähernd overdubt
und trifft einen doch brutal in die Eier.

Lots Of Fun
Thor





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