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Blackmore`s Night - Live 2000
München, Muffathalle, 24.07.2000

von Thomas Wehlt

Ritchie in MünchenGeorg Muffat war ein in Deutschland während der Hochzeit des deutschen Barock wirkender Komponist. Die Stadt München gedachte seinem Wirken durch die Namensgebung jener Halle, in welcher an diesem wunderschönen Sommerabend "The Man In Black" mitsamt seiner Musikerschar zu Gast war. Wenn mir vor 20 Jahren einer prophezeit hätte, dass einstmals Blackmore und Muffat musikalisch in einer Traditionslinie genannt werden könnten, ich hätte ihn wahrscheinlich schleunigst in Richtung "geschlossene Anstalt" verwiesen. Anno 2000 aber entspringen des Meisters Hirn Noten, welche auch in den Notenbüchern barocker Komponisten Platz gefunden hätten. Ja, es geht sogar so weit, dass der einst wildeste Heavy-Gitarren-Magier, welcher sich immer beinhart zu den harten HardRock-Riffs bekannt hat, heutzutage barocke Original-Kompositionen als Ausgangsmaterial für seine Variationen einsetzt. Das Stück "Past Time With Good Company" sei dafür als Beispiel genannt, welches im Original der Feder des englischen Königs Henry VIII. ( 1491-1547 ) entsprungen ist.
Blackmores Metamorphose steht in ihrer Konsequenz ziemlich einzigartig da und bleibt bis heute für viele seiner alten Fans nur schwerlich nachvollziehbar. Ich für meinen Teil habe diesen Schritt mittlerweile als souveräne Entscheidung eines Künstlers akzeptiert, versuche ihn unvoreingenommen zu werten und mich nunmehr an den positiven Folgen dieses Prozesses zu freuen.
"Blackmore´s Night" wählten sich als Vorband an diesem Abend "Des Geyers schwarzer Haufen", welche sich fortan ja nur noch "Die Geyer" nennen. Es war eine sehr kurzweilige Show, insbesondere die humorvollen Ansagen des Sängers sorgten von Anbeginn für gute Stimmung. Sehr interessant war aus instrumentenhistorischer Sicht der Einsatz der zahlreichen mittelalterlichen Musikinstrumente, denen sich gar wunderliche Töne entlocken ließen. Ich sah "Die Geyer" an diesem Abend zum ersten mal und konnte nach konzentriertem Zuhören auch so manchen Einfluss in den "Blackmore´s Night"-Stücken besser nachvollziehen und deren Ursprünge erkennen. "Die Geyer" bekamen ca. 45 min Spielzeit zugestanden und weckten in dieser Zeit nachhaltigen Appetit auf mehr. Nicht wenige "Geyer"-Fans führten vor der Bühne in mittelalterlichen Kostümen rituelle Tänze auf, in der Halle, welche durch ihre komplette Bestuhlung den Aktionsradius ansonsten doch recht einschränkte. Dieser Trend, die Konzerthallen zu bestuhlen, nervt mich in letzter Zeit immer mehr. War dies bei der Jon Lord-Tour noch verständlich, so hat es mich schon bei den diversen "Blackmore´s Night"- Konzerten und zum Teil auch während der "Concerto"-Events gestört. Denn wer kann schon bei Blackmores "Gone With The Wind" oder bei "Smoke On The Water" ruhig sitzen bleiben. Aber das nur am Rande, man kann damit leben.
Das Backcover-Motiv der aktuellen Blackmore´s Night-CD "Under A Violet Moon" diente als Vorlage für die Dekoration der Bühne und stellte somit eine stimmige, mystische Atmosphäre her. Die bezaubernde und geschwätzige Candice betrat mitsamt ihrem Meister und dem restlichen Gefolge die Bühne und eröffnete den Abend mit einem neuen Song, der wohl "Written In The Stars"(?) hieß. Dieser fügte sich tendenziell in die Richtung der beiden bisher erschienen Platten ein und lieferte somit keinen Anlass für Überraschungen. Von da an sollten die bekannten und bewährten Stücke aus der "Blackmore´s Night"- und "Rainbow"-Historie folgen. Für instrumentale Bereicherung während des ganzen Konzertes sorgte der schwerwänstige Multiinstrumentalist Albert Dannenmann der "Geyer", welcher mit dem Einsatz einer immensen Vielfalt an altertümlichen, sonderbaren Instrumenten verblüffte und für klangliche Bereicherung der Blackmore-Kompositionen sorgte. Besonders bei "Play Minstrel Play", mit dem im Original ja von Ian Anderson phantastisch gespielten Flötensolo, konnte er sich brillant hervortun. Blackmore`s Night in MünchenDarüber hinaus griff auch Candice im Verlauf des Abends immer wieder zu einer kleinen Blockflöte und blies uns eins. Im ersten Drittel des Abends wurden einige Kleinode des Minnesangs ("Play Minstrel Play", "Minstrel Hall"), Schlafgesänge für Somnambule ("Shadow Of The Moon"), Lieder für den Morgen danach ("Morning Star") sowie balladeske Klänge ("Avalon") geboten. Die Band wirkte gut aufgelegt und versprühte viel Spielfreude. Ritchie spielte wie immer souverän und jenseits von Gut und Böse. Er ließ sich sogar zu einigen verbalen Äußerungen, sprich Ansagen, hinreißen, was ja wohl eher selten zu erleben ist.
Nach diesen oft gehörten Gassenhauern sollte ein gänzlich unerwartetes Highlight für Überraschung sorgen. Ich glaubte kaum meinen Ohren zu trauen, aber Candice sagte doch tatsächlich " Soldier Of Fortune" an. Ein Meisterwerk des Deep Purple-Mark III - Lineup´s , welches wohl bisher nur sehr selten zu Live-Ehren gelangt ist. Natürlich ist es ungewohnt, die alten Purple- und Rainbow-Klassiker mit Candices Gesang in solchen Versionen zu hören, zu sehr ist man an die Originalversionen gewöhnt, aber sie haben auch in dieser Form durchaus ihren Reiz, zumal bei solch einem getragenen Stück wie diesem. Dass Ritchie mittlerweile sogar wieder alte Purple-Songs zu kennen scheint, lässt hoffen. Überhaupt hat sich das Verhältnis von Akustik-Klampfe zur E-Gitarre doch schon sehr zugunsten der Elektrik verschoben. Wohin führt diese Reise?
Nach "Soldiers..." beglückte uns Ritchie gleich mit einem weiteren Evergreen: "16th Century Greensleeves". Zwar glaube auch ich, dass wir "Rainbow" nie wieder live zu Gesicht bekommen werden, aber es tut doch hin und wieder gut, diese alten, liebgewonnenen Juwelen zu hören. Nach dieser Zeitreise zurück in die Historie des "Rockers" Blackmore ließ er nun die folkloristisch-klassische Neuorientierung der Nach-DP-Ära so richtig zur Geltung kommen. Mit gitarristischen Pittoresken wie "Durch den Wald zum Bachhaus" und "Mondtanz" sowie " No Second Chance", "Past Time With Good Company" und "Wind In The Willows" wurden wir zielstrebig durch das Blackmorsche Universum geleitet um zielsicher bei einem weiteren Klassiker zu landen, nämlich dem Rainbow-Oldie "Temple Of The King". Nicht ohne Grund taucht diese wunderschöne Ballade auf vielen Schmuse-Rock-CD´s auf, denn sie gehört definitiv zu den besten Rockballaden, die je auf diesem kranken Planeten geschrieben wurden. Meines Erachtens gewinnt dieser Song in der Interpretation einer Sängerin sogar noch hinzu.
Mittlerweile hatten sich die in mittelalterliche Gewänder gekleideten Fans in den ersten Reihen in kollektive Trance getanzt und zelebrierten verzückte Veitstänze vor der Bühne, so dass es zusehends schwieriger wurde, aus sitzender Position das Geschehen on stage konzentriert zu verfolgen. Candice und Ritchie vollführten allerlei Faxen zwischen den Songs und Candice machte einmal mehr ihrem Ruf der Geschwätzigkeit alle Ehre, in dem sie jede Menge wenig bedeutender Anekdötchen von sich gab. Die Stimmung vor und auf der Bühne wurde zunehmend hitziger und Ritchie trug dem Rechnung, in dem er mehr und mehr elektrisierende Gitarrenriffs in die dürstende Menge schleuderte. Viele in der CD-Version sehr gemäßigte Songs werden live wesentlich druckvoller und teilweise auch wesentlich schneller gespielt, so dass auch die heißgeliebte Strat immer wieder brillieren darf und allen Zweiflern beweißt, dass tief in seiner dunklen Seele noch immer der alte Gitarren-Derwisch schlummert. Verzichtete er zu Beginn der "Blackmore´s Night"-Ära fast noch gänzlich auf die E-Gitarre, so scheint er doch mittlerweile eine gesunde Balance zwischen Akustik-Klampfe und E-Gitarre gefunden zu haben. Sicherlich hat zum einen die nicht zu übergehende Reserviertheit der alten Fans gegenüber dieser Entwicklung dazu beigetragen, zum anderen aber sicher auch der nunmehr schon recht beachtliche zeitliche Abstand zum Deep Purple-Trauma. Jetzt darf sich Ritchies alte und innige Liebe zur E-Gitarre wieder mehr in den Vordergrund stellen. Und das ist gut so!!!
Dieser Liebe frönte er auch im weiteren Verlauf des Konzertes mehr oder weniger bei den Stücken " March The Heroes Home", "Catherine Howards Fate", "Possum Goes To Prague", "Renaissance Fare", "Memmingen", "The Clock Ticks On" und dem Abschluss des regulären Sets "Spanish Nights".
Ritchie in MünchenSchon lange hielt es keinen mehr auf seinen Plätzen, mit Begeisterungsstürmen wurden "Blackmore´s Night" gefeiert und Ritchie war sichtbar erfreut und verabschiedete sich von fast jedem Fan in den ersten Reihen mit Handschlag. Lange musste die johlende Meute nicht bitten, um Ritchie und seine Nachtwächter auf die Bühne zurückzuholen. Nun sollte sich die ungefesselte Spielfreude der Band erst noch so richtig entfalten, denn ein absoluter Höhepunkt eines jeden "Blackmore´s Night"-Konzertes eröffnete die Zugabe: "Gone With The Wind". Dieser tolle, dynamische, stahlgehärtete, nach vorn treibende Song läuft in seiner Liverversion erst so richtig auf Hochtouren. Ritchie steigert das ohnehin schon affengeile Gitarrensolo in diesem Stück zu einer einzigartigen, charakteristischen Blackmore-Live-Performance, welche in dieser Brillanz, mit diesem typischen Blackmore-Stratocaster-Timbre einzig und allein vom "Man in black" dargeboten werden kann. Die ehrwürdige Muffathalle entwickelte sich nun endgültig zum siedenden Tollhaus, Ritchie war nun ganz der exaltierte und entfesselte Guitarhero, welcher mittels seiner überirdischen Fähigkeiten seine Mitmusiker zwangsläufig zu Statisten degradierte. Doch damit sei deren Leistung keineswegs herabgewürdigt, sondern sie lieferten während des ganzen Konzertes eine zwar unauffällige, aber grundsolide Arbeit ab. Candice blieb während der ausschweifenden Soloeskapaden ihres Gemahls zwar auch nur die Rolle der bewundernden Gespielin, aber o. k., diese Formulierung wird ihr nun wirklich nicht gerecht. Candice ist mittels ihrer stimmlichen Leistungen ein eminent wichtiger Part dieser Band und ich kann mich den teilweise wirklich nicht fairen Kritiken an ihrem Gesang nicht anschließen. Sicher, sie hat nicht die Fähigkeiten einer Inga Rumpf, Tina Turner oder auch Celine Dion, aber dies tut auch gar nicht Not, denn zum "Blackmore´s Night"-Sound passt ihre Stimme sehr gut. Basta!!!
Nach der "Gone With The Wind"-SpeedMetal-Version wurden wir wieder nostalgisch und huldigten alten Rainbow-Zeiten mit "Since You´ve Been Gone", auf welches Ritchie offenbar auch immer wieder ganz gerne zurück greift, obwohl es meines Erachtens nun nicht gerade zu den Rainbow-Sternstunden gehört. Einmal so richtig in Spiellaune gekommen, begann Ritchie mit einigen folgenden improvisierten Delikatessen über "Somewhere Over The Rainbow" und "In der Halle des Bergkönigs" nach Edward Grieg und bewies damit einmal mehr seine ungezügelte Spontaneität, welche immer wieder für Überraschungen sorgt.
Es waren bis dahin beinahe 3 Stunden vergangen und ich geriet so langsam in Zeitnot, um die letzte S-Bahn noch zu bekommen. Als ob die Musikantenschar dies geahnt hätte, kamen sie dann doch zum endgültigen Schlusspunkt und zelebrierten mit einem wiederum fulminant und energievoll gespielten "Writing On The Wall" dann das finale Schlusskapitel unter diesen großartigen Abend.
Zwar konnte dieses Konzert nicht zur Gänze an das sagenhaft gute Castle-Konzert auf der Albrechtsburg zu Meißen, welches ungefähr ein Jahr zuvor stattfand, heranreichen, dies lag aber bestimmt nicht an der musikalischen Leistung der Band, sonder maximal an Defiziten hinsichtlich Atmosphäre und Umgebung in der Muffathalle. "Blackmore´s Night´s" Renaissance-Gesänge kommen eben doch am besten in einem mittelalterlichen Schloss- oder Burghof zur Geltung. Aber auch so konnten wir die Stätte des Geschehens höchst zufrieden verlassen und in freudiger Erwartung auf das nächste "Blackmore´s Night"-Album den Nachhauseweg antreten.
Besonders positiv sei noch erwähnt, dass die Merchandising-Preise unerwartet kundenfreundlich waren und dadurch der Stand natürlich heftig frequentiert wurde. Wann erlebt man das heute schon noch, dass für ein hochwertiges Original-T-Shirt gerade mal 25 Äste abverlangt werden.

E-Mail Thomas Wehlt

pics: Manfred Stoffer