von Thomas Wehlt
Georg
Muffat war ein in Deutschland während der Hochzeit des deutschen
Barock wirkender Komponist. Die Stadt München gedachte seinem
Wirken durch die Namensgebung jener Halle, in welcher an diesem
wunderschönen Sommerabend "The Man In Black" mitsamt
seiner Musikerschar zu Gast war. Wenn mir vor 20 Jahren einer prophezeit
hätte, dass einstmals Blackmore und Muffat musikalisch in einer
Traditionslinie genannt werden könnten, ich hätte ihn
wahrscheinlich schleunigst in Richtung "geschlossene Anstalt"
verwiesen. Anno 2000 aber entspringen des Meisters Hirn Noten, welche
auch in den Notenbüchern barocker Komponisten Platz gefunden
hätten. Ja, es geht sogar so weit, dass der einst wildeste
Heavy-Gitarren-Magier, welcher sich immer beinhart zu den harten
HardRock-Riffs bekannt hat, heutzutage barocke Original-Kompositionen
als Ausgangsmaterial für seine Variationen einsetzt. Das Stück
"Past Time With Good Company" sei dafür als Beispiel
genannt, welches im Original der Feder des englischen Königs
Henry VIII. ( 1491-1547 ) entsprungen ist.
Blackmores Metamorphose steht in ihrer Konsequenz ziemlich einzigartig
da und bleibt bis heute für viele seiner alten Fans nur schwerlich
nachvollziehbar. Ich für meinen Teil habe diesen Schritt mittlerweile
als souveräne Entscheidung eines Künstlers akzeptiert,
versuche ihn unvoreingenommen zu werten und mich nunmehr an den
positiven Folgen dieses Prozesses zu freuen.
"Blackmore´s Night" wählten sich als Vorband
an diesem Abend "Des Geyers schwarzer Haufen", welche
sich fortan ja nur noch "Die Geyer" nennen. Es war eine
sehr kurzweilige Show, insbesondere die humorvollen Ansagen des
Sängers sorgten von Anbeginn für gute Stimmung. Sehr interessant
war aus instrumentenhistorischer Sicht der Einsatz der zahlreichen
mittelalterlichen Musikinstrumente, denen sich gar wunderliche Töne
entlocken ließen. Ich sah "Die Geyer" an diesem
Abend zum ersten mal und konnte nach konzentriertem Zuhören
auch so manchen Einfluss in den "Blackmore´s Night"-Stücken
besser nachvollziehen und deren Ursprünge erkennen. "Die
Geyer" bekamen ca. 45 min Spielzeit zugestanden und weckten
in dieser Zeit nachhaltigen Appetit auf mehr. Nicht wenige "Geyer"-Fans
führten vor der Bühne in mittelalterlichen Kostümen
rituelle Tänze auf, in der Halle, welche durch ihre komplette
Bestuhlung den Aktionsradius ansonsten doch recht einschränkte.
Dieser Trend, die Konzerthallen zu bestuhlen, nervt mich in letzter
Zeit immer mehr. War dies bei der Jon Lord-Tour noch verständlich,
so hat es mich schon bei den diversen "Blackmore´s Night"-
Konzerten und zum Teil auch während der "Concerto"-Events
gestört. Denn wer kann schon bei Blackmores "Gone With
The Wind" oder bei "Smoke On The Water" ruhig sitzen
bleiben. Aber das nur am Rande, man kann damit leben.
Das Backcover-Motiv der aktuellen Blackmore´s Night-CD "Under
A Violet Moon" diente als Vorlage für die Dekoration der
Bühne und stellte somit eine stimmige, mystische Atmosphäre
her. Die bezaubernde und geschwätzige Candice betrat mitsamt
ihrem Meister und dem restlichen Gefolge die Bühne und eröffnete
den Abend mit einem neuen Song, der wohl "Written In The Stars"(?)
hieß. Dieser fügte sich tendenziell in die Richtung der
beiden bisher erschienen Platten ein und lieferte somit keinen Anlass
für Überraschungen. Von da an sollten die bekannten und
bewährten Stücke aus der "Blackmore´s Night"-
und "Rainbow"-Historie folgen. Für instrumentale
Bereicherung während des ganzen Konzertes sorgte der schwerwänstige
Multiinstrumentalist Albert Dannenmann der "Geyer", welcher
mit dem Einsatz einer immensen Vielfalt an altertümlichen,
sonderbaren Instrumenten verblüffte und für klangliche
Bereicherung der Blackmore-Kompositionen sorgte. Besonders bei "Play
Minstrel Play", mit dem im Original ja von Ian Anderson phantastisch
gespielten Flötensolo, konnte er sich brillant hervortun. Darüber
hinaus griff auch Candice im Verlauf des Abends immer wieder zu
einer kleinen Blockflöte und blies uns eins. Im ersten Drittel
des Abends wurden einige Kleinode des Minnesangs ("Play Minstrel
Play", "Minstrel Hall"), Schlafgesänge für
Somnambule ("Shadow Of The Moon"), Lieder für den
Morgen danach ("Morning Star") sowie balladeske Klänge
("Avalon") geboten. Die Band wirkte gut aufgelegt und
versprühte viel Spielfreude. Ritchie spielte wie immer souverän
und jenseits von Gut und Böse. Er ließ sich sogar zu
einigen verbalen Äußerungen, sprich Ansagen, hinreißen,
was ja wohl eher selten zu erleben ist.
Nach diesen oft gehörten Gassenhauern sollte ein gänzlich
unerwartetes Highlight für Überraschung sorgen. Ich glaubte
kaum meinen Ohren zu trauen, aber Candice sagte doch tatsächlich
" Soldier Of Fortune" an. Ein Meisterwerk des Deep Purple-Mark
III - Lineup´s , welches wohl bisher nur sehr selten zu Live-Ehren
gelangt ist. Natürlich ist es ungewohnt, die alten Purple-
und Rainbow-Klassiker mit Candices Gesang in solchen Versionen zu
hören, zu sehr ist man an die Originalversionen gewöhnt,
aber sie haben auch in dieser Form durchaus ihren Reiz, zumal bei
solch einem getragenen Stück wie diesem. Dass Ritchie mittlerweile
sogar wieder alte Purple-Songs zu kennen scheint, lässt hoffen.
Überhaupt hat sich das Verhältnis von Akustik-Klampfe
zur E-Gitarre doch schon sehr zugunsten der Elektrik verschoben.
Wohin führt diese Reise?
Nach "Soldiers..." beglückte uns Ritchie gleich mit
einem weiteren Evergreen: "16th Century Greensleeves".
Zwar glaube auch ich, dass wir "Rainbow" nie wieder live
zu Gesicht bekommen werden, aber es tut doch hin und wieder gut,
diese alten, liebgewonnenen Juwelen zu hören. Nach dieser Zeitreise
zurück in die Historie des "Rockers" Blackmore ließ
er nun die folkloristisch-klassische Neuorientierung der Nach-DP-Ära
so richtig zur Geltung kommen. Mit gitarristischen Pittoresken wie
"Durch den Wald zum Bachhaus" und "Mondtanz"
sowie " No Second Chance", "Past Time With Good Company"
und "Wind In The Willows" wurden wir zielstrebig durch
das Blackmorsche Universum geleitet um zielsicher bei einem weiteren
Klassiker zu landen, nämlich dem Rainbow-Oldie "Temple
Of The King". Nicht ohne Grund taucht diese wunderschöne
Ballade auf vielen Schmuse-Rock-CD´s auf, denn sie gehört
definitiv zu den besten Rockballaden, die je auf diesem kranken
Planeten geschrieben wurden. Meines Erachtens gewinnt dieser Song
in der Interpretation einer Sängerin sogar noch hinzu.
Mittlerweile hatten sich die in mittelalterliche Gewänder gekleideten
Fans in den ersten Reihen in kollektive Trance getanzt und zelebrierten
verzückte Veitstänze vor der Bühne, so dass es zusehends
schwieriger wurde, aus sitzender Position das Geschehen on stage
konzentriert zu verfolgen. Candice und Ritchie vollführten
allerlei Faxen zwischen den Songs und Candice machte einmal mehr
ihrem Ruf der Geschwätzigkeit alle Ehre, in dem sie jede Menge
wenig bedeutender Anekdötchen von sich gab. Die Stimmung vor
und auf der Bühne wurde zunehmend hitziger und Ritchie trug
dem Rechnung, in dem er mehr und mehr elektrisierende Gitarrenriffs
in die dürstende Menge schleuderte. Viele in der CD-Version
sehr gemäßigte Songs werden live wesentlich druckvoller
und teilweise auch wesentlich schneller gespielt, so dass auch die
heißgeliebte Strat immer wieder brillieren darf und allen
Zweiflern beweißt, dass tief in seiner dunklen Seele noch
immer der alte Gitarren-Derwisch schlummert. Verzichtete er zu Beginn
der "Blackmore´s Night"-Ära fast noch gänzlich
auf die E-Gitarre, so scheint er doch mittlerweile eine gesunde
Balance zwischen Akustik-Klampfe und E-Gitarre gefunden zu haben.
Sicherlich hat zum einen die nicht zu übergehende Reserviertheit
der alten Fans gegenüber dieser Entwicklung dazu beigetragen,
zum anderen aber sicher auch der nunmehr schon recht beachtliche
zeitliche Abstand zum Deep Purple-Trauma. Jetzt darf sich Ritchies
alte und innige Liebe zur E-Gitarre wieder mehr in den Vordergrund
stellen. Und das ist gut so!!!
Dieser Liebe frönte er auch im weiteren Verlauf des Konzertes
mehr oder weniger bei den Stücken " March The Heroes Home",
"Catherine Howards Fate", "Possum Goes To Prague",
"Renaissance Fare", "Memmingen", "The Clock
Ticks On" und dem Abschluss des regulären Sets "Spanish
Nights".
Schon
lange hielt es keinen mehr auf seinen Plätzen, mit Begeisterungsstürmen
wurden "Blackmore´s Night" gefeiert und Ritchie
war sichtbar erfreut und verabschiedete sich von fast jedem Fan
in den ersten Reihen mit Handschlag. Lange musste die johlende Meute
nicht bitten, um Ritchie und seine Nachtwächter auf die Bühne
zurückzuholen. Nun sollte sich die ungefesselte Spielfreude
der Band erst noch so richtig entfalten, denn ein absoluter Höhepunkt
eines jeden "Blackmore´s Night"-Konzertes eröffnete
die Zugabe: "Gone With The Wind". Dieser tolle, dynamische,
stahlgehärtete, nach vorn treibende Song läuft in seiner
Liverversion erst so richtig auf Hochtouren. Ritchie steigert das
ohnehin schon affengeile Gitarrensolo in diesem Stück zu einer
einzigartigen, charakteristischen Blackmore-Live-Performance, welche
in dieser Brillanz, mit diesem typischen Blackmore-Stratocaster-Timbre
einzig und allein vom "Man in black" dargeboten werden
kann. Die ehrwürdige Muffathalle entwickelte sich nun endgültig
zum siedenden Tollhaus, Ritchie war nun ganz der exaltierte und
entfesselte Guitarhero, welcher mittels seiner überirdischen
Fähigkeiten seine Mitmusiker zwangsläufig zu Statisten
degradierte. Doch damit sei deren Leistung keineswegs herabgewürdigt,
sondern sie lieferten während des ganzen Konzertes eine zwar
unauffällige, aber grundsolide Arbeit ab. Candice blieb während
der ausschweifenden Soloeskapaden ihres Gemahls zwar auch nur die
Rolle der bewundernden Gespielin, aber o. k., diese Formulierung
wird ihr nun wirklich nicht gerecht. Candice ist mittels ihrer stimmlichen
Leistungen ein eminent wichtiger Part dieser Band und ich kann mich
den teilweise wirklich nicht fairen Kritiken an ihrem Gesang nicht
anschließen. Sicher, sie hat nicht die Fähigkeiten einer
Inga Rumpf, Tina Turner oder auch Celine Dion, aber dies tut auch
gar nicht Not, denn zum "Blackmore´s Night"-Sound
passt ihre Stimme sehr gut. Basta!!!
Nach der "Gone With The Wind"-SpeedMetal-Version wurden
wir wieder nostalgisch und huldigten alten Rainbow-Zeiten mit "Since
You´ve Been Gone", auf welches Ritchie offenbar auch
immer wieder ganz gerne zurück greift, obwohl es meines Erachtens
nun nicht gerade zu den Rainbow-Sternstunden gehört. Einmal
so richtig in Spiellaune gekommen, begann Ritchie mit einigen folgenden
improvisierten Delikatessen über "Somewhere Over The Rainbow"
und "In der Halle des Bergkönigs" nach Edward Grieg
und bewies damit einmal mehr seine ungezügelte Spontaneität,
welche immer wieder für Überraschungen sorgt.
Es waren bis dahin beinahe 3 Stunden vergangen und ich geriet so
langsam in Zeitnot, um die letzte S-Bahn noch zu bekommen. Als ob
die Musikantenschar dies geahnt hätte, kamen sie dann doch
zum endgültigen Schlusspunkt und zelebrierten mit einem wiederum
fulminant und energievoll gespielten "Writing On The Wall"
dann das finale Schlusskapitel unter diesen großartigen Abend.
Zwar konnte dieses Konzert nicht zur Gänze an das sagenhaft
gute Castle-Konzert auf der Albrechtsburg zu Meißen, welches
ungefähr ein Jahr zuvor stattfand, heranreichen, dies lag aber
bestimmt nicht an der musikalischen Leistung der Band, sonder maximal
an Defiziten hinsichtlich Atmosphäre und Umgebung in der Muffathalle.
"Blackmore´s Night´s" Renaissance-Gesänge
kommen eben doch am besten in einem mittelalterlichen Schloss- oder
Burghof zur Geltung. Aber auch so konnten wir die Stätte des
Geschehens höchst zufrieden verlassen und in freudiger Erwartung
auf das nächste "Blackmore´s Night"-Album den
Nachhauseweg antreten.
Besonders positiv sei noch erwähnt, dass die Merchandising-Preise
unerwartet kundenfreundlich waren und dadurch der Stand natürlich
heftig frequentiert wurde. Wann erlebt man das heute schon noch,
dass für ein hochwertiges Original-T-Shirt gerade mal 25 Äste
abverlangt werden.
E-Mail
Thomas Wehlt
pics: Manfred Stoffer
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