von Klaus Horn
Spätestens als ein blasser Jüngling in Strumpfhosen mit
umgeschnalltem Trinkhorn knapp vor unserem Auto graziös über
die Straße taumelte, wussten wir, dass wir richtig waren;
und tatsächlich: Vor der altehrwürdigen Stadthalle Heidelberg
verweilten weitere edle Gestalten in Renaissance-Outfit. Mit meinem
Deep Purple-Shirt kam ich mir schon fast fehl am Platze vor. Eigentlich
wollte ich ursprünglich in einem Shirt der aktuellen Besetzung
erscheinen, doch hatte ich dann doch von dieser Überlegung
abstand genommen, will ich den Meister nicht durch eine solche Provokation
dazu bringen wollte, seine Gitarren ins Eck zu schleudern und unverrichteter
Dinge wieder abzuziehen. Ausserdem erschien mir die Aussicht, dann
von einer Horde aufgebrachter Burschen in Strumpfhosen gelyncht
zu werden, wenig erstrebenswert (ich möchte lieber einmal so
sterben wie Attila der Hunne). Daher einigte ich mich mit mir auf
ein Purple-Shirt, das noch das Antlitz des schwarzen Meisters zierte.
Tatsächlich war die gesamte erste Reihe der Stadthalle von
Leuten mit Renaissance- und Mittelalter-Outfit belegt; zusammen
mit der recht stimmungsvollen Kulisse eines Burgtores auf der Bühne
sorgte dies für eine würdige Atmosphäre. Ein edler
Recke erschien sogar in Ritterrüstung mitsamt Schild. Zum Ritter
fehlte lediglich noch das Schwert (naja, vielleicht musste er das
ja bei der Security abgeben, und sein Pferd graste vielleicht genüsslich
vor der Halle). Übrigens kamen einige der so Gewandeten in
den Genuss, vom Meister einen Becher Bier gereicht zu bekommen (wohlgemerkt:
Ritchie gab ihnnen den Becher in die Hand und warf ihn ihnen nicht
etwa ins Gesicht).
An dieser Stelle muss ich anmerken, dass das Konzert nun schon drei
Wochen her ist; daher bitte ich um Nachsicht, dass ich mich nicht
mehr so genau daran erinnern kann, was denn so alles zum Vortrage
gebracht wurde.
Nach einem Trio namens "Mostly Autumn", welches keltisches
Liedgut vortrug, betraten "Des Geyers schwarzer Haufen"
die Bühne, deren Name, wie der Sänger klarstellte, nichts
mit einem Greifvogel zu tun hat ("denn das wäre ja Scheisse").
Die Geyers spielten mit mittelalterlichen Instrumenten ebensolche
Musik, und das überaus gekonnt. Schon bald erkannte man, dass
auch im Mittelalter die Menschen mit den selben Problemen zu kämpfen
hatten wie wir heute, wie das Lied "Ich hab' ein böses
Weib" eindrucksvoll bewies.
Dann kam "Blackmore's Night". Candice bevölkerte
die Mitte der Bühne, hinter ihr stand ein elektronisches Schlagzeug.
Ritchie beanspruchte für sich, seine Gitarren sowie die Bierbecher
die vom Zuschauer aus gesehen rechte Seite der Bühne, während
die restlichen Musiker alle in der linken Hälfte zusammengepfercht
waren.
Leider ist meine Erinnerung an die Set-List getrübt, aber man
spielte sehr viel von der neuen CD "Fires At Midnight".
Auffällig war, dass es Ritchie zuweilen schwerfiel, sich für
eine seiner zahlreichen Gitarren und Lauten zu entscheiden. Einmal,
gegen Ende des Konzertes, forderte ihn Candice sogar auf, sich doch
mal ein bisschen zu beeilen (hätte Ian Gillan das einmal gewagt,
hätte ihm der Meister sicherlich eine seiner Gitarren auf dem
Schädel zertrümmert, wobei er wohl nicht lange überlegt
hätte und die nächstbeste gewählt hätte). Aber
Candice durfte das; überhaupt wirkte Ritchie für seine
Verhältnisse recht locker. Allerdings hatte es Candice auch
nicht besonders eilig, denn meist hielt sie vor den einzelnen Liedern
ausgedehnte Monologe.
Ein Jubelsturm brandete los, als der Meister vor einem Stück
auf die elektrische Gitarre zuging; doch dann blieb er stehen, überlegte
ein wenig und blickte dann doch in Richtung Laute, wodurch er das
Publikum zu einigen Pfiffen nötigte. Ich dachte schon, er würde
jetzt erst recht die Laute schnappen, aber er war an diesem Abend
gut drauf, nahm die elektrische Gitarre und begann (wenn ich mich
recht erinnere) mit "Temple Of The King".
Doch der Höhepunkt der Show (zumindest für mich) war "Soldier
of Fortune".
Das Konzert dauerte unglaublich lange - und das nicht nur wegen
Ritchies Unschlüssigkeit bei der Gitarrenwahl und Candice`
ausufernden Geschichtchen. Zum Schluss gab es dann sogar (mindestens)
vier Zugaben, wovon die zweite - vom Publikum singenderweise gefordert
- "Black Night" war.
Das Konzert war ganz nett, die Stimmung gut und wenigstens malträtierte
der Meister zuweilen auch die E-Gitarre (wenn auch nach meinem Geschmack
viel zu selten, aber diese Zeiten sind nun mal vorbei). Doch in
diesen magischen Momenten zeigte sich, dass der Meister nichts von
seinen Künsten eingebüßt hat.
In so fern war es ein gelungener Abend, aber eben keiner, von dem
ich in fünfzig Jahren meinen (dann vielleicht vorhandenen)
um den Kamin versammelten Enkelkindern mit entrücktem Gesichtsausdruck
und strahlenden Augen vorschwärmen werde.
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Klaus Horn
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