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Blackmore`s Night - Live 2001
Heidelberg, Stadthalle, 24.07.2001

von Klaus Horn

Spätestens als ein blasser Jüngling in Strumpfhosen mit umgeschnalltem Trinkhorn knapp vor unserem Auto graziös über die Straße taumelte, wussten wir, dass wir richtig waren; und tatsächlich: Vor der altehrwürdigen Stadthalle Heidelberg verweilten weitere edle Gestalten in Renaissance-Outfit. Mit meinem Deep Purple-Shirt kam ich mir schon fast fehl am Platze vor. Eigentlich wollte ich ursprünglich in einem Shirt der aktuellen Besetzung erscheinen, doch hatte ich dann doch von dieser Überlegung abstand genommen, will ich den Meister nicht durch eine solche Provokation dazu bringen wollte, seine Gitarren ins Eck zu schleudern und unverrichteter Dinge wieder abzuziehen. Ausserdem erschien mir die Aussicht, dann von einer Horde aufgebrachter Burschen in Strumpfhosen gelyncht zu werden, wenig erstrebenswert (ich möchte lieber einmal so sterben wie Attila der Hunne). Daher einigte ich mich mit mir auf ein Purple-Shirt, das noch das Antlitz des schwarzen Meisters zierte.
Tatsächlich war die gesamte erste Reihe der Stadthalle von Leuten mit Renaissance- und Mittelalter-Outfit belegt; zusammen mit der recht stimmungsvollen Kulisse eines Burgtores auf der Bühne sorgte dies für eine würdige Atmosphäre. Ein edler Recke erschien sogar in Ritterrüstung mitsamt Schild. Zum Ritter fehlte lediglich noch das Schwert (naja, vielleicht musste er das ja bei der Security abgeben, und sein Pferd graste vielleicht genüsslich vor der Halle). Übrigens kamen einige der so Gewandeten in den Genuss, vom Meister einen Becher Bier gereicht zu bekommen (wohlgemerkt: Ritchie gab ihnnen den Becher in die Hand und warf ihn ihnen nicht etwa ins Gesicht).
An dieser Stelle muss ich anmerken, dass das Konzert nun schon drei Wochen her ist; daher bitte ich um Nachsicht, dass ich mich nicht mehr so genau daran erinnern kann, was denn so alles zum Vortrage gebracht wurde.
Nach einem Trio namens "Mostly Autumn", welches keltisches Liedgut vortrug, betraten "Des Geyers schwarzer Haufen" die Bühne, deren Name, wie der Sänger klarstellte, nichts mit einem Greifvogel zu tun hat ("denn das wäre ja Scheisse"). Die Geyers spielten mit mittelalterlichen Instrumenten ebensolche Musik, und das überaus gekonnt. Schon bald erkannte man, dass auch im Mittelalter die Menschen mit den selben Problemen zu kämpfen hatten wie wir heute, wie das Lied "Ich hab' ein böses Weib" eindrucksvoll bewies.
Dann kam "Blackmore's Night". Candice bevölkerte die Mitte der Bühne, hinter ihr stand ein elektronisches Schlagzeug. Ritchie beanspruchte für sich, seine Gitarren sowie die Bierbecher die vom Zuschauer aus gesehen rechte Seite der Bühne, während die restlichen Musiker alle in der linken Hälfte zusammengepfercht waren.
Leider ist meine Erinnerung an die Set-List getrübt, aber man spielte sehr viel von der neuen CD "Fires At Midnight". Auffällig war, dass es Ritchie zuweilen schwerfiel, sich für eine seiner zahlreichen Gitarren und Lauten zu entscheiden. Einmal, gegen Ende des Konzertes, forderte ihn Candice sogar auf, sich doch mal ein bisschen zu beeilen (hätte Ian Gillan das einmal gewagt, hätte ihm der Meister sicherlich eine seiner Gitarren auf dem Schädel zertrümmert, wobei er wohl nicht lange überlegt hätte und die nächstbeste gewählt hätte). Aber Candice durfte das; überhaupt wirkte Ritchie für seine Verhältnisse recht locker. Allerdings hatte es Candice auch nicht besonders eilig, denn meist hielt sie vor den einzelnen Liedern ausgedehnte Monologe.
Ein Jubelsturm brandete los, als der Meister vor einem Stück auf die elektrische Gitarre zuging; doch dann blieb er stehen, überlegte ein wenig und blickte dann doch in Richtung Laute, wodurch er das Publikum zu einigen Pfiffen nötigte. Ich dachte schon, er würde jetzt erst recht die Laute schnappen, aber er war an diesem Abend gut drauf, nahm die elektrische Gitarre und begann (wenn ich mich recht erinnere) mit "Temple Of The King".
Doch der Höhepunkt der Show (zumindest für mich) war "Soldier of Fortune".
Das Konzert dauerte unglaublich lange - und das nicht nur wegen Ritchies Unschlüssigkeit bei der Gitarrenwahl und Candice` ausufernden Geschichtchen. Zum Schluss gab es dann sogar (mindestens) vier Zugaben, wovon die zweite - vom Publikum singenderweise gefordert - "Black Night" war.
Das Konzert war ganz nett, die Stimmung gut und wenigstens malträtierte der Meister zuweilen auch die E-Gitarre (wenn auch nach meinem Geschmack viel zu selten, aber diese Zeiten sind nun mal vorbei). Doch in diesen magischen Momenten zeigte sich, dass der Meister nichts von seinen Künsten eingebüßt hat.
In so fern war es ein gelungener Abend, aber eben keiner, von dem ich in fünfzig Jahren meinen (dann vielleicht vorhandenen) um den Kamin versammelten Enkelkindern mit entrücktem Gesichtsausdruck und strahlenden Augen vorschwärmen werde.

E-Mail Klaus Horn