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Deep Purple In Concert With The London Symphony Orchestra
- Live 1999 -

London, Royal Albert Hall, 26.9.1999

von Klaus Horn

KonzertplakatLange Zeit hatte ich mir eingeredet, dass es zu aufwendig sei, wegen eines einzigen Konzertes die lange Reise nach London anzutreten. Doch eines Tages traf mich die Erkenntnis, dass ich unbedingt bei der Wiederaufführung von Jon Lord`s "Concerto For Group and Orchestra" dabei sein mußte. Und so kam es schließlich zu meinem spontanen Kurzurlaub in England mit dem Konzertereignis des Jahrzehnts als Höhepunkt.
Als ich vor der Halle stand, wunderte ich mich darüber, dass die meistgesprochene Sprache hier deutsch zu sein schien. Aber es waren sicherlich Fans aus der ganzen Welt anwesend.
Nach der Schlacht im Royal Albert Hall-Shop begab ich mich dann voller Erwartung auf meinen recht guten Platz. Allein in dieser Halle zu sitzen war schon ein Erlebnis. In ihrer Erhabenheit strömt sie eine Feierlichkeit aus, die der ideale Rahmen für das bevorstehende Ereignis war.
Zunächst führte das London Symphony Orchestra (LSO) die "Four Scottish Dances, Op. 59" von Sir Malcolm Arnold auf. Arnold, der vor 30 Jahren das "Concerto" dirigiert hatte, konnte aufgrund einer Erkrankung leider nicht zu dem Konzert erscheinen.
Das LSO wurde von Paul Mann dirigiert, der dann den Mann ansagte, den er als einen der besten Menschen bezeichnete, die er jemals getroffen hat: Jon Lord.
Als dieser - ganz in schwarz gekleidet - die Bühne betrat, gab es die ersten stehenden Ovationen an diesem Abend; es sollten nicht die letzten bleiben.
Sichtlich gerührt nahm Jon an seinem Piano platz und spielte zwei der wundervollen Stücke seiner "Pictures Within"- CD, zunächst den Titelsong mit Miller Anderson als Sänger, dann "Wait a Little While" mit der bezaubernden Sam Brown am Mikrophon.
Roger GloverAls nächstes betrat Roger Glover die Bühne. Er hatte zwei Songs von "Butterfly Ball" mitgebracht, "Sitting in a Dream" und "Love is all". Beide Songs wurden gesungen von Ronnie James Dio. Eddie Hardin saß am Piano; Jon, Little Ian und Steve spielten ihre gewohnten Instrumente und Graham Preskett spielte Geige.
Danach begrüßten sich Roger und Big Ian mit einem dicken Schmatz. Überhaupt waren die Begrüßungen und später die Verabschiedungen von einer unermesslichen Herzlichkeit geprägt.
Ian trug so etwas wie ein knielanges indisches Gewand, das so weiß glänzte, dass es fast schon blendete. Irgendwie sah er aus wie ein indischer Elvis nach einer Abmagerungskur. Er begann mit "Via Miami", begleitet von Jon und Mickey Lee Soule vierhändig am Piano, Roger, Ian und Steve Morris, den mancher im Publikum zunächst für George Harrison hielt. Als zweiten Song hatte Ian "That's Why God is Singing the Blues" ausgewählt.
Danach sagte Gillan das neueste Mitglied der Familie an: Steve Morse. Dieser spielte mit der Steve Morse Band und dem Geiger Graham Preskett zwei Instrumentalstücke; "Night Meets Light" und "Take it Off the Top".
Dann folgte Little Ians Part: Deep Purple (minus Steve Morse) spielten, unterstützt von Graham Preskett an der Geige und den Kick Horns (die mit mir weder verwandt noch verschwägert sind), "Wring that Neck", das nicht wenige Zuschauer von den Sitzen riss; natürlich kam Ian`s Drumsarbeit nicht zu kurz.
Danach folgte eine Pause. Insgesamt gesehen war es schon bis dahin ein besonderes Erlebnis gewesen, und man spürte, dass die meisten in der Halle genauso empfanden. Der Hauch der Einmaligkeit dieses Ereignisses schwebte ständig durch die Halle, so dass einem manche Beiträge eine Gänsehaut bescherten. Ich habe auch noch nie ein Konzert erlebt, bei dem so viel fotografiert wurde. Jeder wollte eben diese magischen Momente irgendwie festhalten.
Als nächstes folgte das "Concerto For Group And Orchestra". Zwar gehört die CD des alten "Concerto" nicht zu den CDs, die ichv.l. Jon Lord, Paul Mann, Ian Gillan jeden Tag höre (was ich, seit ich von London wieder zurückgekehrt bin, aber tatsächlich getan habe), doch hatte ich es noch so gut im Gedächtnis, dass ich glaube, fast alle Veränderungen, die Jon vorgenommen hat, herausgehört zu haben.
Die beiden Änderungen, die am meisten auffielen, waren folgende: Ian Gillan durfte im 2. Movement den letzten Vers zwei Mal singen, und am Anfang des 3. Movements gab es ein liebliches Zusammenspiel zwischen Orgel und Gitarre.
Natürlich waren auch die Soli anders als man sie von der CD kannte. Manch einer wartete wohl gespannt darauf, ob Steve Morse seine Soli genauso spielen würde wie Ritchie Blackmore 30 Jahre zuvor. Er tat es nicht; er meisterte diese Passagen auf seine Art - als Steve Morse eben und nicht als Blackmore-Imitator. Doch auch bei den anderen Soli wurde improvisiert, ganz gleich ob es sich um Orgel oder Oboe handelte.
Überhaupt muss man feststellen, dass das London Symphony Orchestra keine solchen Beerdigungsmienen wie seinerzeit das Royal Philharmonic Orchestra zur Schau stellte. Man konnte sehen, dass es den Musikern Spaß machte. Vor allem dem Mann hinter dem Xylophon merkte man an, dass er seinen Einsatz gar nicht abwarten konnte.
Auch Steve Morse war in guter Stimmung; desöfteren stellte er, wenn er gerade Pause hatte und auf seinem Stuhl saß, diverse Orchestermusiker pantomimisch dar und spielte breit grinsend "Air-Xylophon".
Alle drei Movements waren - auch wenn man sie schon von der alten CD her kannte - absolut mitreißend, und so wurden Band und Orchester auch mit Applaus überschüttet.
Abgesehen von einer niederen Kreatur, die gelegentlich glaubte, irgend etwas schreien zu müssen, war das Publikum übrigens großartig, und ich bin stolz, ein Teil davon gewesen zu sein.
Danach spielten Deep Purple noch ein paar Songs - mit mehr oder weniger Unterstützung durch das Orchester. Bei "Ted the Mechanic" wurden Purple sowohl durch den Background-Chor, der schon im Solo-Teil zeitweise zu hören gewesen war, die Kick Horns und das Orchester begleitet. Dann folgten "Watching the Sky" und "Sometimes I feel like going down to the Pub and drink a few beers with my friends". Mit diesen neueren Songs aus der Morse-Ära machten sie deutlich, dass es sich hier nicht um eine Nostalgie- Sache handelte, sondern dass hier eine lebendige, atmende Band spielte, von der noch einiges zu erwarten ist.
Dann erzählte Ian Gillan, dass er den folgenden Song, mit dem der Abend beendet werde, schon immer einmal mit Gillan und Dioeinem Orchester aufführen wollte und wie froh er sei, dass er es jetzt sogar mit dem besten Orchester der Welt tun könne: "Pictures of Home". Das LSO lieferte auch sogleich ein sagenhaftes Intro, bevor Deep Purple dann loslegten.
Als sich alle umarmt und gegenseitig von der Bühne geführt hatten, wurden sie vom donnernden Applaus wieder herbeigerufen, und so kam es, wie es kommen musste...

Unterstützt vom Background-Chor, den Kick Horns und allen Gastmusikern, die im ersten Teil des Konzerts aufgetreten waren, sowie vom Publikum, dass es in Sachen Lautstärke durchaus mit dem beim "Last Night of the Proms"- Konzert aufnehmen konnte, spielten Deep Purple "Smoke On The Water". Den zweiten Vers durfte übrigens der kleine Herr Dio singen.
Dieses Grand Finale rundete ein in seiner Art absolut einmaliges Ereignis ab, und ich bin verdammt froh, dabeigewesen zu sein. Ich werde wohl noch oft an diesen Abend zurückdenken.

pic oben (Konzertplakat): Wolfram Reeg
restliche pics: Axel Dauer