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Deep Purple - Live 2000
Luxemburg, Rathausplatz, 13.10.2000

von Stefan Schäfer

Deep Purple-Free-Concert
oder
"Die Luxemburger Wasserspiele" von J. Lord

Am 9.10.2000 erreichte mich ein Mail unseres obersten Aviators. Kurz und bündig erklärte Andree, dass DP am 13.10.2000 ein Gratiskonzert in Luxemburg anlässlich der Thronfolgerfeierlichkeiten geben. Ebenso kurz und bündig erklärte ich der Familie, dass ich am 13.10. außer Haus sei. Sie fügte sich, wohlwissend, dass man mich bei DP-Konzerten nicht aufhalten kann. Es folgte ein kurzer Anruf bei Aviator-Mitglied Wilfried, der sich nach anfänglichem Zögern - er konnte das mit dem Termin und erst recht das mit dem "Gratis" nicht glauben - von mir überzeugen ließ mitzufahren.
Auf der Fahrt trösteten wir uns, dass wir, falls es doch nicht stattfinden sollte, dann wenigstens bei McDonalds dinieren könnten. Aber die Menschenmassen, die es in die Innenstadt von Luxemburg zog, waren ein sicheres Zeichen für das Konzert. Auf dem Rathausplatz angekommen, konnten wir uns bis auf ca. 5 m der Bühne nähern (ein Glück für uns beide, dass die Luxemburger klein sind - muss wohl mit der Größe des Landes zusammenhängen...). Pünktlich um 20.00 Uhr betrat Jon Lord die Bühne und erläuterte den Ablauf des Abends auf seine bekannt humorvolle Art. Das Konzert lief nach dem gleichen Muster ab wie die letztjährige Aufführung in London. Erst ein "Wunschkonzert" der einzelnen Bandmitglieder, dann als Höhepunkt das "Concerto For Group And Orchestra", schließlich als Finale DP-Klassiker untermalt von den Klängen der Rumänischen Philharmoniker. Auftakt des Konzerts bildete "Pictures Within" von dem gleichnamigen Soloprojekt Jon Lords mit Begleitung des Orchesters. Ein Lied, bei dem eindrucksvoll die Stimmgewalt von Miller Anderson zum Ausdruck kam. Anschließend betraten Steve Morse, Roger Glover und Ian Paice sowie Ronnie James Dio die Bühne. Ronnie James Dio"Sitting In A Dream" und "Love Is All" aus der Solozeit von Roger Glover wurde zum Besten gegeben. Kein typischer Purplesound, aber mit der gleichen Spielfreude vorgetragen, als handele es sich um Purplestücke. Um es vorweg zu nehmen, Deep Purple merkte man die Spielfreude an, sie wirkten wesentlich relaxter als zwei Tage später in Frankfurt. Vielleicht lag es auch daran, dass in Luxemburg ein Open-Air mit Stehplätzen gespielt wurde, was eine spontanere Stimmung im Publikum aufkommen ließ. Doch zurück zum Thema. Warum RJD als special guest aufgeführt war, wurde spätestens jetzt klar. Mit einer Brachialgewalt wurden die ersten Rocknummern des Abends gespielt, "Fever Dreams" und "Rainbow In The Dark" von Dio. Einfach phantastisch - stimmgewaltig wie eh und je, körperlich unverändert, den gleichen Bühnenzauber ausstrahlend wie früher bei Rainbow. Nicht auszudenken, welchen Weg DP genommen hätte, wäre Dio anstelle von Joe Lynn Turner 1990 zur Band gestoßen. Doch viel Zeit darüber nachzudenken gab es nicht, denn Jon Lord kündigte " Wring That Neck", einen Klassiker der frühen Mark II-Besetzung an, hier allerdings nicht mit Gitarre, sondern mit einem Bläsertrio. Sicherlich war diese Version (Swing) musikalisch interessant, aber insgesamt betrachtet für mich der Schwachpunkt des Abends. Wenn ich mir vorstelle, dass die Bandmitglieder auf der neuen Platte ihre musikalischen Leidenschaften zum Ausdruck bringen wollen, dann kann ich nur hoffen, dass Ian Paice weitgehend unberücksichtigt bleibt. So etwas ist definitiv nichts für meine Ohren. Entschädigt wurde ich dann allerdings mit einer absolut geilen Version von "Fools", ein absolutes Lieblingslied von mir, dass ich mir schon immer live gewünscht hatte. Yeah, das ist ein Hammer, der das Zeug zu einem "wiederentdeckten" Klassiker hat. Für dieses Lied betrat unser großer Ian die Bühne. Positiv fiel zunächst auf, daß die Haare von Big-Ian wieder länger werden, auch fiel auf, dass die selbigen im Alter ergrauen und schließlich verstärkte sich mein seit Jahren gehegter Eindruck, dass Gillan`s Klamottengeschmack sehr ausgefallen ist. Sicherlich war es kalt, aber das ist doch noch lange kein Grund mit einem pinkfarbenen Fleeceshirt in Verbindung mit einer Bundfaltenhose aufzutreten. Von der Stimme her ist er allerdings "really fantastic". Auch Big Ian durfte sich zwei Stücke aussuchen. Er entschied sich für eine getragene Version von "When A Blind Man Cries" zusammen mit dem Orchester, sowie für den Neuklassiker "Ted The Mechanic" (DP haben ihren Narren daran gefressen, weiß der Henker warum?!). Dann kündigte Gillan das erste Opus von Steve Morse an. Es handele sich dabei um "Guitar String", dass einfach grandios war. Es zeigte zum einen die Genialität von Steve, aber auch das Können des Orchesters. Von mir aus hätte dieser Song noch ein wenig länger ausfallen können. Einfach brillant, wie Streicher und Gitarre gegenläufig spielten. Ian Gillan nutzte die Gesangspause, um mit einer Videokamera Bilder von der Menge, aber auch von den Musikern zu machen. Man sah ihm einfach den Spaß an. Als letztes Stück des ersten Teils spielte man dann "Pictures Of Home", eingeleitet von dem Orchester. Wie jeder gemeinsam gespielte Song des Abends klang auch "Pictures..." durch das neuartige Soundgewand eindrucksvoll hymnenhaft.
Während das Orchester nun die Instrumente neu stimmte - sicherlich nicht einfach bei den Temperaturen von ca. 10 Grad Celsius - erfolgte die erste Überraschung des Abends: Gespielt wurden lediglich Satz 1 und 3 des "Concertos". Welche Gründe das Weglassen des Gesangsteil hatte, wurde nicht gesagt. Ansonsten verlief das "Concerto" aber so, wie es auch auf der Live-CD zu hören ist. Anmerken möchte ich an dieser Stelle bloß, dass im ersten Satz gerade das Gitarrenspiel von Blackmore fehlt, ohne die Genialität von Steve Morse in Frage zu stellen, aber es fehlt hier die Wut mit der Ritchie damals das Solo spielte.
Nicht ganz sicher bin ich mir, ob im dritten Satz der erste Einsatz der Gruppe weggelassen wurde. Lang anhaltender Beifall während des ersten Satzes und zum Schluss des "Concertos" ist sicherlich ein Beweis für die Klasse der Darbietung. Noch bevor der letzte Beifall verhallte, setzte die Gruppe zum Endspurt an. "Perfect Strangers" eröffnete den dritten Teil des Abends. Steve MorseEigentlich unnötig hierüber ein Wort zu verlieren, alleine der Name löst bei mir schon eine Gänsehaut aus. Klasse hier wie bei den folgenden Stücken die Einbindung des Orchesters. Es folgte "Sometimes I Feel Like Screaming". Für das letzte Lied kündigte Ian Gillan an, seinen "kleinen Bruder" holen zu wollen und kam mit Ronnie James Dio an der Hand auf die Bühne zurück. Es folgte die Rockhymne schlechthin - "Smoke On The Water". Wie auch bei der letztjährigen Tour eröffnete Steve Morse den Reigen indem er so tat, als suche er die richtigen Noten. Heraus kam allerdings erst einmal "Sweet Home Alabama", das bestimmt ca. 45 Sekunden angespielt wurde. Auch bei "Stairway To Heaven" lag er immer noch ein wenig "daneben". Schließlich aber fand er doch noch die richtigen Griffe und "Smoke On The Water" erklang in einem absolut majestätischen Klang - kein Wunder bei über 80 voll engagierten Musikern auf der Bühne.
Als sich die Gruppe schließlich für den tollen Abend bedankte, wusste der eingefleischte DP-Fan, dass dies noch nicht alles sein konnte, und in der Tat, die 5 Heroen der Rockmusik kamen nach einer kurzen Pause zurück und schmetterten den Zuhörern ein völlig entfesseltes "Highway Star" um die Ohren. Kurios war bei der Zugabe folgende Situation: Die Orchester-Musiker glaubten wohl, nach "Smoke..." sei Schluss und begannen damit, ihre Instrumente abzubauen und von der Bühne zu gehen. Bis auf ca. ein Dutzend Personen gelang es ihnen auch, der Rest setzte sich aber sofort brav hin, als die Gruppe anfing. Und dann sah man am Bühnenrand Orchestermusiker, die ehrfurchtsvoll Bilder von DP machten.
Was bleibt noch anzumerken: Es war eine super Atmosphäre, der Veranstalter hatte eine Großbildleinwand aufbauen lassen, auf der perfekt geschnittene Bilder zu sehen waren. Von vielen am Anfang unbemerkt, zeigte sich am linken Rand des Platzes ein weiteres Highlight. Zu den Klängen des "Concertos" wurde ein bombastisches Wasserspiel, angestrahlt mit verschiedenen Farben, abgehalten. Ein prächtiges Bild für den Zuschauer. Selbst die Gruppe zeigte sich überrascht wie man an der Reaktion von Ian Gillan und Steve Morse sehen konnte. Ein geplantes Konzert während der "Concerto"-Tour war es sicherlich nicht, denn weder im Tourprogramm noch auf den Tour-Shirts gab es einen entsprechenden Hinweis.
Gelohnt hat sich die Anreise von 200 Kilometern allemal für ein Konzert mit einer Spielzeit von ca. 2 1/4 Stunden.

pics: Manfred Stoffer (Ronnie James Dio & Steve Morse in Frankfurt, Festhalle, 15.10.00)