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Deep Purple - Live 2000
Stuttgart, Schleyerhalle, 17.10.2000
München, Olympiahalle, 31.10.2000

von Gerhard Stahr

Rock'n'Classic Europe Tournee 2000
Deep Purple in Stuttgart am 17.10.2000 und in München am 31.10.2000

In alten Zeiten, als Eltern ihren Sprösslingen Cello-Unterricht verordneten, um sie davon abzuhalten zur elektrifizierten Gitarre zu greifen, hätte diese Platte Generationen vereinen können: Deep Purples Concerto For Group And Orchestra.

Damals war die Zeit noch nicht reif: Das Royal Philharmonic Orchestra nahm Jon Lords Werk nicht ernst, zog die Proben widerwillig und das Konzert am 24. September 1969 lustlos durch, wie Lord im Booklet der 1999er Doppel-CD tadelnd beklagt. Dann musste sich Lord noch gegen einen gewissen Herrn Blackmore durchsetzen - der Gitarristen einer der lautesten und eigenwilligsten, der heute zwar gerne seine "Liebe" zu Bach und Barock betont, nie jedoch die klassischen Talente eines Jon Lord besaß und seit jeher danach trachtete, DP nach seiner Pfeife tanzen zu lassen und ganz andere Saiten, nämlich die härtesten auf seine Strat aufzog, auf dass so manche Röhre im Marshall verglühte. Die Partitur des Concertos ging verloren, nachdem es nochmals 1970 in Los Angeles aufgeführt worden war und auch wenn der Man In Black nichts mit dem Verschwinden zu tun gehabt haben sollte, so war ihm das sicher nicht unrecht, konnte er DP doch jetzt nach seinem Gusto prägen: "Deep Purple In Rock" und "Made In Japan" sind Meilensteine der "klassischen" - sprich rockigen - Mark-2-Besetzung, die zu der Hard-Rock-Formation schlechthin avancierte.

Im Jahre 2000 hat es Lord leichter: Nachdem sich Ritchie Blackmore auf der Welttournee 1993 selber aus der Band katapultiert hatte (die Tournee wurde damals nicht abgebrochen - Joe Satriani sprang ein) und mit Steve Morse ein ideensprühender Gitarrist, der perfekt zu DP passt und sich ebenso großartige Play-And-Answer-Schlachten mit der Hammondorgel liefern kann, gefunden worden war und nachdem der junge holländische Komponist Marco De Goeij die Noten des Concertos rekonstruiert hatte, stand einer Neuauflage nichts mehr im Wege. Und mit dem Romanian Philharmonic Orchestra war Deep Purple im Herbst 2000 auf Europa-Tournee.

Gesittet geht es zu, sowohl in der Schleyer-Halle in Stuttgart am 17. Oktober 2000 als auch in der Olympia-Halle in München am 31. Oktober 2000, keine Drängeleien im Eingangsbereich, freundliche Ordner, Lachsbrötchen und Cappuccino bzw. Weißbier und -würste an den Verpflegungsständen. Die Zeiten grimmig-brutaler Hell's Angels oder ähnlicher Gestalten sind endgültig vorbei. Die Hallen sind bestuhlt, es geht pünktlich los, mit Gong, wie in der Oper. Zunächst sanft mit "Pictured Within" und Miller Anderson. Umsomehr Power in "Sitting In A Dream" und "Love Is All". Ronnie James Dio - einst Mitstreiter in Ritchies Rainbow - klingt für seine 60 Lenze kein bisschen leise. Da stehen 4 DP-Mannen + Sänger Dio + Orchester und es regiert die Harmonie der Musik und keine Diva macht irgendwelche Querelen. Oh, Ritchie, du warst Teil dieses Rock-Imperiums und hast im falschen Augenblick aufs falsche Pferd gesetzt! Zurück zu DP: "Wring That Neck" kommt mit Unterstützung der Brass-Section dermaßen jazzig und Ian Paice zeigt so viel Spaß am Jazz, dass man ihn sich auch als Schlagzeuger in einer Big Band vorstellen kann. Es folgt Lords 3-Satz-Concerto: Im ersten Satz steht der Kampf zwischen E- und U-Musik, der zweite Satz beschreibt die gegenseitige, zaghafte Annäherung, der dritte Satz zelebriert schließlich den Spaß, den man gemeinsam haben kann. Das Concerto geht auch nach 30 Jahren noch nicht leicht ins Ohr: Barock, französischer Impressionismus, Wagner, Strawinsky und Bartok, von Lord vermischt, Stile und Aromen, die nebeneinander stehen und ineinander aufgehen. Paul Mann, der bereits als Jugendlicher vor dem Spiegel das Concerto dirigierte, als Steve Morse noch Luftgitarre spielte, lässt die 79 klassisch musizierenden Rumänen zu ganz großer Form auflaufen. Nuanciertes Pizzicato und das tragische Sehnen der Klarinette breiten den Klangteppich aus, auf dem Jon Lord mit den Fingern über seine Hammondorgel spaziert und Steve Morse absolut virtuos seiner Gitarre Flügel verleiht.

Begeisterungsstürme brechen los, als Deep Purple "Ted, den Mechaniker" anstimmt, der "sich den Himmel anschaut" und sich "manchmal fühlt, als ob er losbrüllen" müsste, wenn er "Bilder von zu Hause" und den "Rauch über dem Wasser" sieht (Ted The Mechanic, Watching The Sky, Sometimes I Feel Like Screaming, Pictures Of Home, Smoke On The Water). Der rumänische Hilfspercussionist - im Orchester ganz oben links - ist so begeistert bei der Sache, dass er ekstatisch auf dem eigenen Bauch mittrommelt, wenn er keine offiziellen Schläge austeilen darf. Und er ist genauso erstaunt wie das begeisterte Publikum, wie schnell 3 Stunden vergehen können, als nach den Zugaben "Black Night" und "Highway Star" das Hallenlicht den Glanz des Abends endgültig überstrahlt. Deep Purple 2000 - Steigerung unmöglich!