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Deep Purple - Live 2001
Mosbach, Großer Elzpark, 17.08.2001

von Klaus Horn

Bis kurz vor Mosbach war das Wetter eigentlich nicht zu beanstanden, aber je näher man kam, um so dunkler wurden die Wolken. Es schien, als hätten sich alle schwarzen Wolken der Umgebung über Mosbach versammelt und warteten nur noch auf mein Eintreffen, um einen sintflutartigen Regenguss abzulassen. Und genau so kam es dann auch.
So saß ich dann eine Weile auf dem Parkplatz in meinem Auto in der Hoffnung, dass der Regen irgendwann nachlassen würde. Doch jedesmal, wenn ich den Eindruck hatte, dass die Regenintensität um zwei Tropfen pro Quadratmeter in der Minute nachgelassen hätte, zuckte ein Blitz über den Himmel, so als wolle er mich darauf hinweisen, dass noch nicht alle möglichen Unwetter-Varianten zum Einsatz gekommen waren. Immerhin wurde man von Schneestürmen, Hagelschauern und Flutwellen verschont...
Irgendwann sah ich schließlich ein, dass der Regen niemals aufhören würde und begab mich aufs Gelände, wo ich mich erst mal eine Weile unter einer Plane des Haribo-Standes herumdrückte, unter der sich des Regens wegen ebenso viele Menschen wie Wespen tummelten. (Normalerweise bin ich - glaube ich - eigentlich nicht so ein Weichei, das sich von ein bisschen Regen ins Bockshorn jagen lässt, aber dieser Guss ging mir doch ziemlich auf die Nerven; ich bin schließlich kein Fisch, der daran gewöhnt ist, klitschnass zu sein).
Aber wieso rede ich eigentlich vom Wetter, wenn es über Deep Purple zu schreiben gilt?
Zuvor begann eine Band namens Aprildaze, welche ganz ordentlich spielten.
Danach - ich hatte es inzwischen geschafft, durch einige wilde Flüche dem Regen Einhalt zu gebieten - erschien Roger Chapman mit seiner Band The Shortlist auf der Bühne. Ich hatte ihn bereits 1985 beim Deep Purple-Open Air in Mannheim gesehen - und es war recht spaßig, ihm 16 Jahre später bei meinem 21. Purple-Konzert wiederzusehen. Ich denke, dass er sich eindeutig weniger verändert hat als ich. Mit seiner unverwechselbaren Stimme und einer äußerst spielfreudigen Band wusste er absolut zu überzeugen.
Erstaunlicherweise gibt es übrigens tatsächlich Menschen, die auch während eines Konzerts wenige Meter vor der Bühne und direkt vor einem Lautsprecher stehend nicht darauf verzichten können, mitten während eines Songs per Handy zu telefonieren. Roger Glover und Steve Morse in MosbachVielleicht hat ja auch am anderen Ende jemand das Konzert mitgeschnitten.
Gegen 9:30 Uhr wurde die Spannung immer größer, und kurz bevor Purple schließlich begannen, kam Don Airey, der ja den am Knie operierten Jon Lord vertrat, schon mal auf die Bühne, um sich vom ordnungsgemäßen Zustand des Tastengerätes zu überzeugen, welches übrigens wie eine antike Kommode aussah . Vielleicht sah er nach, ob irgendwelche Würmer Löcher darin hinterlassen hatten. (Anm. The Aviator: In Mosbach spielte Don auf einer Ersatz-Hammond, weil an Jon`s Hammond etwas repariert werden musste. Die Ersatz-Orgel klang in Don`s Ohren übrigens besser als Jon`s Original-Hammond. Allerdings stand er mit dieser Meinung ziemlich allein da...).
Während des Openers "Woman From Tokyo" konnte man dann Ian Gillans neue Frisur bewundern. Er trägt das ergraute Haar sehr kurz, was ihm gar nicht schlecht steht. Offenbar hat er auch ein bisschen abgenommen (vielleicht ließ ihn aber auch die im Hintergrund zu sehende aufgemalte große Kugel schlanker wirken). Danach gab's den wohl unvermeidlichen "Ted The Mechanic", übrigens der einzige Song aus der Morse-Ära, der gespielt wurde. Als nächstes folgte "Mary Long", so wie man es aus den Aufnahmen der Soundboards-Series kennt (wenn man diese Investition getätigt hat); eine hübsche Idee, diesen Titel (wieder) live zu spielen. Inzwischen waren auch einige Besoffene entsorgt worden, wodurch man nicht mehr ständig Angst haben musste, dass jemand auf einen drauffällt oder einem ins Genick kotzt. Die Stimmung stieg...
Dann war es für Big Ian an der Zeit, Jon Lord zu entschuldigen und seinen Ersatzmann Don Airey vorzustellen, welcher dann auch gleich beim Intro zu "Lazy" brillieren durfte. Überhaupt machte Airey einen tollen Job - er ist unzweifelhaft einer der besten Keyboarder der Welt. Doch über allen thront eben unerreicht und unerreichbar Jon Lord, und so gut sich Airey auch einfügte, so ist der Unterschied zwischen Jon und Don eben doch mehr als nur ein Buchstabe...
Dann durfte Ian, der übrigens barfuß unterwegs war, "No One Came" singen, bevor Steve Morse` Stunde in Form der "Well Dressed Guitar" schlug. Don Airey hatte diesmal nicht nur Jon Lord, sondern gleich ein ganzes Orchester zu vertreten. Bei der Concerto Tour klang der Song mit Orchester noch mal so gut; vielleicht lädt die Band ja das London Symphonie Orchestra ein, wenn sie das Stück für die neue CD aufnimmt (falls der Song enthalten sein wird und die Jungs sich endlich mal aufraffen, mit der CD anzufangen). Dann kam für mich das Highlight des Abends: "Fools", das Purple ja dankenswerterweise vor einiger Zeit ins Programm genommen haben.
Übrigens zog sich Ian Gillan während der Show öfter um als ein Model während einer Modenschau (kein Wunder, dass er in seinem Gepäck vor lauter Klamotten keinen Platz mehr für Schuhe übrig hatte). Nachdem er "Perfect Strangers" angekündigt hatte, gab Don Airey ein recht langes Solo, in dem er im Stile Jon Lords klassische Themen mit Improvisationen und volkstümlichen Liedern verband. Beispielsweise spielte er "In München steht ein Hochbräuhaus" an, wobei Ian Paice mit einem gefüllten Bierhumpen erschien. Dons Solo ging dann direkt in "Perfect Strangers" über, einem Song, der aus den Purple-Konzerten nicht mehr wegzudenken ist.
Als nächstes stand "When A Blind Man Cries" auf dem Programm, das für mich neben "Fools" den besten Song des Abends darstellte. Dann war wieder Steve dran mit seiner Guitar-Parade, die er ja schon seit einigen Jahren präsentiert, die trotzdem nicht langweilig wird, weil sie immer wieder anders zelebriert wird. Diesmal fiel die Band in die angespielten Stücke wie "Stairway To Heaven", "La Grange" und "Sweet Home Alabama" mit ein. Obwohl den meisten Zuschauern klar gewesen sein dürfte, worauf das Ganze hinauslief, tobte das Volk trotzdem, als Steve schließlich das Riff von "Smoke On The Water" spielte. Während des Songs entdeckte Ian Gillan in der Menge einen kleinen Jungen, der auf den Schultern seines Vaters sitzend, den Takt mit einem Tambourin mitschlug, was Ian sichtlich gefiel. Auch "Speed King" - immer ein Highlight - hatte als Schlusspunkt der Show wieder einiges zu bieten; unter anderem ein Don/Steve-Duell, ein längeres Bass-Solo von Roger Glover und ein aufsehenerregendes Schlagzeugsolo von Ian Paice, der zeitweise den Kopf auf einem Arm aufstützte und einhändig spielte - und das schneller als es jeder mutierte Tausendfüßler könnte.... Dann gab es noch ein Mundharmonika/Guitar-Duell zwischen Big Ian und Steve, das dann in ein recht bizarr anmutendes "Vocals"/Guitar-Duell überging.
Als die Band - durch Zugabe-Rufe angelockt - wieder auf der Bühne erschien, hatte Little Ian wieder seinen Bierhumpen mitgebracht und demonstrierte nun nach dem einarmigen Schlagzeugspiel auch noch das einarmige Bierhumpen-Stemmen. Als erste Zugabe stand "Black Night" auf dem Programm, wobei das Publikum mal wieder lauthals mitgrölte. Danach folgte "Hush", dem man wirklich nicht anmerkte, dass es schon dreiunddreissig Jahre alt ist. Abschließend wurde wie immer "Highway Star" dargeboten.
Zusammenfassend muss man sagen, dass die Band sehr gut drauf war. Rechnet man die Zeit zusammen, die Steve, Roger und auch Don gelächelt haben (und zählt man Big Ians Grinsen dazu), stellt man fest, dass die Band während dieser Show mehr gelächelt hat als es statistisch gesehen die gesamte Bevölkerung der Faröer-Inseln in einem ganzen Jahr tut.
Zum Schluss möchte ich noch meine Genesungswünsche für Jon Lord in einen kleinen Vers fassen:

An Jon - zur Genesung:
Ich hoff', Du kannst bald wieder laufen -
darauf tu' ich jetzt einen saufen.
Ich hoff' Du wirst nicht lange hinken -
darauf tu' ich noch einen trinken.
Ich wünsche Dir ein langes Leben -
darauf tu' ich noch einen heben.
Beglück' uns weiter mit Deinem Können -
darauf tu' ich mir einen gönnen.
Spiel weiter Orgel und Klavier,
darauf trink' ich 'nen Kasten Bier.
Dass Du bald wieder unversehrt,
das ist mir einen Vollrausch wert.

E-Mail Klaus Horn

pic: Andree Schneider