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Deep Purple - Live 2001
Rostock, Stadthalle, 14.08.2001

von Andreas Heuer

Made in Rostock
Es war warm in Rostock, noch wärmer in der Stadthalle, am heissesten sicherlich dort ab 21 Uhr und so ab etwa 22 Uhr stand die Temperatur kurz vor dem Siedepunkt. Deep Purple und die Fans in der ausverkauften Stadthalle bewiesen, dass auch im kühlen Norddeutschland die Stimmung kochen kann.

Bereits eine Stunde vor dem Konzert ging überhaupt nichts mehr auf dem Parkplatz der Stadthalle, spätestens zu diesem Zeitpunkt war jedem klar, dass das Konzert nicht in ein Sommerloch fiel. Ich sah viele Leute, die eigentlich Mitte August in Urlaub sein wollten, irgendwo weit weg - aber sich dann doch wohl anders entschlossen hatten.

Um 19:58 Uhr startete als Vorband eine sehr junge, deutsche Rockgruppe (aprilDaze), mit gitarremlastigen Rock (3 Gitarren, Bass, Schlagzeug). Die Stadthalle war im Innenraum (unbestuhlt) mit Menschen gefüllt, auch die Tribünen besetzt. Als der Sänger der Vorgruppe vor dem letzten Lied für seine CD warb und sagte, dass sie gleich die CD in der Nähe des Mischpults (hinten im Innenraum) verkaufen wollten, fiel ihm und seinem Gitarristen wohl auf, dass das keine so gute Idee war ("besser doch am Eingang"): Zum Mischpult wäre kaum noch jemand durchgekommen. Um 20:35 Uhr begann die Umbaupause, um 21:00 Uhr schließlich ging das Licht aus, draußen ging langsam die Sonne unter ...

... in der Stadthalle dagegen flogen wir mit "Woman From Tokyo2 "into the rising sun". Während es draußen langsam abkühlte, ging in der Stadthalle die Post ab. In den nächsten 110 Minuten sollten die Fans folgende Songs genießen können:

Woman From Tokyo
Ted The Mechanic
Mary Long
Lazy
No One Came
Fools
The Well Dressed Guitar
Perfect Strangers
When A Blind Man Cries
Guitar Intro Parade
Smoke On The Water
Speed King

mit den Zugaben

Black Night
Hush
Highway Star

Schon zu Beginn wurde klar, dass zwar Jon Lord wegen seiner Knieoperation nicht dabei war, von Don Airey aber sehr gut vertreten wurde. Don spielte manchmal wie Jon, brachte aber auch eigene Ideen mit ein, so dass das Warten auf seine Soli ein Spannungsmoment des Abends wurde.

Ian Gillan in RostockBruce Payne, der Trainer, hatte seine Mannschaft wie üblich offensiv aufgestellt. Hinten links Ian Paice an den Drums, hinten rechts Don Airey an den Keyboards. Vorn war die Startaufstellung mit Roger Glover am Bass links, Steve Morse an der Gitarre rechts und Ian Gillan als Mittelstürmer die übliche, allerdings wurden durch verwirrende Positionswechsel während des Konzerts alle statischen Vorgaben aufgehoben. Ian Gillan war körperlich in bester Form, schien rank und schlank. In zunächst buntem T-Shirt, Dreiviertel-Hosen und barfuß wirkte er wie ein Urlauber, der gerade vom Ostseestrand kam, - hatte aber natürlich kräftig zu tun. Und stimmlich war er blendend in Form. Verglichen mit den Reunion-Konzerten Mitte der 80er, und dann auch im Vergleich zu den Konzerten 1996, 1998 und 2000 scheint seine Stimme sich immer besser zu entwickeln. Es scheint Zeit zu sein für "Child In Time"...
Zur Set-List: Der neueste Song wurde im Jahr 2002 (abschliessend) komponiert ("The Well Dressed Guitar", jedenfalls wenn man Ian Gillan glauben darf, dass Steve Morse immer noch im Bus und eben gerade in der Umkleidekabine noch daran geschrieben hat), dann gab es mit "Ted The Mechanic" noch einen aus den 90ern und mit "Perfect Strangers" einen aus den 80ern. Trotz der Oldie-Parade der Songs aus der Mark-I und Mark-II-Phase entwickelte sich ein abwechslungsreiches Programm: Wer hatte in Deutschland denn "Fools" schon einmal live gehört? Nur diejenigen, die die Concerto-Tour in 2000 besucht hatten. Und wer hatte "Mary Long" schon einmal live gehört?

Zum Ablauf: Nach "Woman From Tokyo" und "Ted The Mechanic" kam die erste Überraschung: "Mary Long". Der Song wirkte extrem kraftvoll. Da ich in letzter Zeit "Who Do We Think We Are" einige Mal als "Vorbereitung" auf das Konzert gehört hatte, war ich überrascht, wie gut der Song live wirkte - und hier war gerade im langsameren Schlussteil schon klar, wie gut Ian Gillans Stimme war.

Vor "Lazy" dann die Ansage von Ian Gillan, die auf die Knieoperation von Jon Lord hinwies und Don Airey an den Keyboards vorstellte. Obwohl einige der Zuschauer hier wohl negativ überrascht wurden, gab es bereits einen stürmischen Beifall für den Neuen, auf den dann auch gleich die erste Herausforderung wartete - das Intro von "Lazy". Don Airey meisterte es gut, mit eigenen Ideen, nicht ganz so lang und virtuos vielleicht wie Jon Lord - aber den gibt es ja auch nur einmal. Nach "Lazy" kam dann die nächste Überraschung, "No One Came", mit Soli von Steve und Don. Don hatte mittendrin ein technisches Problem, das Solo stoppte, Deep Purple spielte mit Bass-Drum weiter, dann stieg Steve wieder ins Solo ein und überspielte die technischen Probleme.

Bei "Fools" war das Keyboard wieder in Ordnung, es spielte auch eine der Hauptrollen in diesem Song. Schon bei der Ansage hörte man aus dem Publikum, dass sich sehr viele auf dieses Lied freuten. Und tatsächlich: Es war der erste Höhepunkt des Abends, wobei sich das Konzert ab "Fools" dann wirklich von Höhepunkt zu Höhepunkt steigerte. Falls Ian Gillan wieder verantwortlich für die Setlist war, hier schon einmal ein dickes Kompliment für Auswahl und Reihenfolge der Titel.

In "Fools" kam nur einmal die Blackmore-Sehnsucht auf, als im langsamen Mittelteil die "Streicherpassagen" nicht von der E-Gitarre, sondern von Don Airey kamen. Aber Morse ist nicht Blackmore - und Blackmore nicht Morse. Steve Morse hatte andere Stärken, die er schon im nächsten Lied voll ausspielte.

Steve Morse in RostockEs kam nämlich "The Well Dressed Guitar". Ein Lied, an dem nach Ian Gillan immer noch komponiert wird von Steve, und er wird wohl auch in den nächsten Konzerten damit nicht fertig werden. Wer diesen Song von der Concerto-Tour kennt: Das große Symphonie-Orchester fehlt zwar, aber es wird durch das Keyboard ersetzt. Welche Version einem besser gefällt, ist eher Geschmackssache. Da ich mir nach dem Konzert noch die Ahoy-Live-CD von der Concerto-Tour gekauft hatte, hatte ich den direkten Vergleich, in dem mir die Orchester-Variante noch besser gefiel. Aber trotzdem: Die Morse-Zeichen waren hiermit heftig gesetzt und beim Publikum angekommen.
Und der nächste Höhepunkt: "Perfect Strangers". Ein Song aus der 80er Reunion-Phase, der aus den Setlists nicht mehr wegzudenken ist. Die LightShow (die einzige, die Deep Purple in Konzerten einstreut) war wieder gelungen. Toll aber insbesondere das lange Keyboard-Intro von Don Airey, das Ian Gillan sich hinter den Boxen stehend andächtig und zufrieden anhörte - "Don, klasse gemacht" muss er gedacht haben.

Mit "When A Blind Man Cries" folgte ein Blues, der wieder Ians stimmliche Qualitäten zeigte. Ein langes Steve-Morese-Intro, ein langes Airey-Solo, ... Und ein Dank von Ian Gillan an Don Airey, der ihn in der Strophe nach dem Solo sogar in den Liedtext einbaute!

An der "Guitar Intro Parade" konnte man erahnen, dass "Smoke On The Water" wartete. Auch diese Riffs aber wurden nicht in den mir bekannten Fassungen der Jahre 1998 und 1999 gespielt, sondern erstens andere und zweitens in ausführlicherer Fassung. So wurden "House Of The Rising Sun" und "Honky Tonk Woman" sogar angesungen von Ian Gillan, die "Intro Parade" wurde zum Klassiker-Medley, bis...

Roger Glover in Rostock... "Smoke on The Water kam". Dab-dab-daaa dab-dab-daa-daaa reichten, um den Siedepunkt in der Stadthalle zu überschreiten. Aber es kam noch besser: "Speed King" folgte und ich schaute auf die Uhr: 70 Minuten Spielzeit hatten wir erreicht, am Ende von "Speed King" waren es 85 Minuten. "Speed King" wurde wie auf "Total Abandon" angereichert um - ein Duell Gitarre/Keyboard (auch Don kann sich duellieren, wenn er auch eher komplizierten Angriffen von Steve geschickt auswich, während Jon selbst angriff, aber auch Cassius Clay hat ja früher Angriffe im Duell geschickt ausgependelt :-) )
- ein Bass-Solo von Roger (länger als das, was ich aus 1998 kannte), mit geschickter Überleitung zu
- Paiceys Drum-Solo, als Höhepunkt sicher das einhändige Spiel zwischendurch (andere sind mit zwei Händen nur halb so schnell)
- einen Dialog zwischen Ian und Steve: richtig gehört, das Duell Stimme gegen Gitarre wurde abgelöst durch einen Dialog über Getränke (Wein, Bier, Whiskey, Wasser, Power Drinks :-) ), wobei Ian die Frage stellte und Steve mit der Gitarre antwortete - eine grandiose Alternative zum bis 1999 üblichen Duell.

Nach "Speed King" war dann das "normale" Konzert zu Ende, es warteten aber noch drei Zugaben. Zu Beginn dirigierte Ian Gillan das Publikum, das sofort wusste, was es zu "singen" hatte - die "Black Night"-Hymne wartete. "Black Night", mit dem Publikum als Dialogpartnern auch bei Steves Solo, wurde in üblicher "Total Abandon"-Qualität präsentiert.

Danach die Ansage von Ian Gillan, nun "back to the roots", der Titel, mit dem alles begann. "Hush" folgte. Als vorletzte Zugabe perfekt platziert, weil auch das Nananana vom Publikum mitgesungen werden kann und die Stimmung so oben blieb. Und schließlich folgte als Krönung "Highway Star". Steve Morse kam nicht ganz so zum Zuge als Motorradfahrer wie etwa bei "Total Abandon", dafür hatte Don Airey einen kleinen Teil am Intro von "Highway Star" bekommen.

Nach dem Ritt auf dem Motorbike war es leider zu Ende - nach 110 Minten doch eigentlich zu früh. Wenn man an der Setlist Kritik üben will, dann vielleicht die, dass die zweite bis vierte Zugabe fehlten mit Klassikern wie "Strange Kind of Woman" und "Space Truckin", mit Hymnen wie "Child in Time" oder mit neueren Titeln wie "69".

Naja, im Jahr 2003 wird es hoffentlich wieder ein Deep Purple-Konzert in Rostock geben - vielleicht mal zur Abwechslung im nagelneuen Ostseestadion Open Air vor 40.000 Zuschauern, mit Rainbow und Whitesnake als Support Acts, Blackmore spielt dann mit Morse zusammen "Highway Star", Coverdale singt "Burn", ach ja, ...., nun ja, bei diesen Temperaturen darf man schon mal spinnen....

E-Mail Andreas Heuer

pics: Kerstin und Bernd Lautenschläger