von Andreas Lamanda
Ich habe sicher schon an die 100 Konzerte gesehen mit
legendären Künstlern wie James Brown, Prince, Joe
Cocker, bis zu Bob Dylan usw. Ein Kollege von mir fragte mich
2006 ob ich nicht zum Deep Purple Konzert in Montreux mitgehen
möchte. Ich war etwas verwundert, und fragte ihn ob denn
diese Musiker überhaupt noch lebten. Er sagte ja,
natürlich und darum beschloss ich mit zu gehen. Warum auch
nicht und erwartete eine Senioren Band, die ihren Zenit schon
lange hinter sich gelassen hat. Ich kannte natürlich
"Smoke on the Water", "Child in time" und
"Hush" von einer Best-of CD. "Hush" kannte
ich ursprünglich als Hit der Gruppe Milli Vanilli (ja ich
schäme mich dafür!). Mit den nicht gerade großen
Erwartungen fuhren wir also nach Montreux, ca. eine Stunde von
meinem Wohnort entfernt. Der Abend begann wie üblich und
wir betraten mit 2 Bier bewaffnet das Auditorium Stravinsky
(großer Konzertsaal in Montreux). Es wurde dunkel und Deep
Purple begannen zu spielen. Schon nach einigen Sekunden war mir
klar, dieses Konzert wird mein Leben für immer
verändern. Für mich war das wie ein Urknall. Nie zuvor
hatte ich Musiker mit einer solchen Präzision spielen
hören. Das war nicht nur gut, das war virtuos! Das
Zusammenspiel von Morse und Airey hat mich förmlich
weggeblasen. Irgendwie war ich in meinem totalen Erstaunen wie
weg getreten. Während dem ganzen Konzert habe ich kein Wort
gesagt sondern nur zugehört und gestaunt wie ein kleines
Kind. Resultat: Aha man kann Musik auch auf diesem Level
betreiben. Tja, so bin ich zu Deep Purple gekommen oder wie ich
manchmal sage, so wurde ich im hohen Alter von 38 zum
Rocker.
Vorgestern Abend war das Festival "Chant du gros"
angesagt, welches wir zum ersten Mal besucht haben. Ich hatte
bis vor etwa 2 Wochen noch nie etwas von diesem Festival
gehört, da es nur ein winzig kleines ist und das letzte der
Schweizer Festival-Saison. Das "Chant du gros" findet
hoch oben im Jura in Le Noirmont (1000 m.ü.m) statt wo sich
Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Einen Fuchs hätte ich
indessen auch bei der Anfahrt beinahe überfahren, als mir
das Tier in schwärzester Nacht im tiefsten Wald vor den
Wagen rannte. Zum Glück konnte ich bremsen. In Le Noirmont
ist die Dorfstrasse nicht mal richtig geteert und
außerhalb des Dorfes ist es stockdunkel, da es dort weder
Häuser noch Straßenbeleuchtung hat. (Das ist sich
unsereiner als Stadtmensch gar nicht mehr gewohnt). Ein Bauer
hatte vor ein paar Jahren das erste "Chant du gros"
auf einem Brückenwagen und mit einer! Lichterkette
veranstaltet. Damals hatte das Festival 200 Besucher und wie die
Legende sagt 30 Wühlmäuse, welche zuschauten, da sie
wegen des Lärms nicht schlafen konnten. 2009 war das ganze
Dorf mit Bahnhof, Schule, Wohnhäuser, Bäckerei
buchstäblich in des Festivalgelände integriert, und
man hatte auch den Eindruck, das Dorf sei geschlossen anwesend
vom Kleinkind bis zum Opa. Die Organisation rund um das Festival
war ein einziges Chaos. Für ein Kaff im hintersten Winkel
des Juras sind die mittlerweile etwa 7000 Besucher fast eine
Katastrophe. Jeder Bauernhof, jeder Rasen, die Gehsteige, die
Feldwege usw. alles mutiert zum Parkplatz. In und um das Dorf
gibt es weder Beschilderung noch Wegweiser, rein gar
nichts. Entweder man weiß, wo das "Chant du
gros" ist, oder man sucht es. Wir suchten rund eine Stunde,
trotz GPS! Das Festival an sich jedoch ist exzellent
organisiert. Regen ist kein Thema, da die Bühnen in
großen Zelten integriert sind. Von den Bands, die dort
auftraten kannten wir keine einzige, da diese 1. unbekannt waren
oder 2. meist aus dem französischen Sprachraum
stammten. Die einzige diesbezügliche Ausnahme waren: Deep
Purple. Ich finde es einfach toll wie Deep Purple, eine der
wichtigsten Bands der Musikgeschichte überhaupt, zwischen
Konzerten in Paris, Barcelona, Madrid, und London quasi an einem
Dorffest auftreten, und das, wie man den Musikern deutlich
anmerkte, mit sehr viel Spaß an der Sache. Für andere
Künstler schlicht undenkbar.
Das Konzert begann mit einem Stück von Beethoven, das
langsam in "Highway Star" überging. Die
Tontechniker hatten zuerst Probleme mit dem sich
überschlagenden Ton, was aber sofort korrigiert wurde. Ian
Gillan, wie immer barfuß, sang das Stück ganz zu beginn,
da er leider relativ schnell Probleme mit seiner Stimme bekommt
und danach die Höhen kaum noch schafft.
Steve Morse war im Element, wie ich ihn schon lange nicht mehr
gesehen habe. Sein Solo war schier endlos und glich wieder
demjenigen auf der "Total Abandon" DVD. Im Anschluss
an sein Solo lieferte sich mit Don Airey ein heftiges
Gitarren-Hammond Duell auf allerhöchstem spieltechnischen
Niveau. Besser geht nicht. Die vor uns stehenden Teenies
schauten nur komisch aus der Wäsche, denn sie begriffen
offenbar nicht was ihnen da von den lebenden Legenden geboten
wurde. Ja das ist nicht Bumbum-Techno aus dem Computer, um
diese Musik zu produzieren muss man noch richtig was
können, dachte ich für mich, als Don Airey zu seinem
beliebten Keyboard Solo ansetzte. Airey begann seinen
musikalischen Ausflug wie üblich mit dem E-Piano und
klassischen Stücken und ließ danach den Moog so
richtig durch die finstere Nacht grollen und endete
schließlich bei seinem Hamond. hammermässig toll wie
immer.
Danach ging's durch die seit 2006 kaum veränderte Setlist
von Hit zu Hit. Wrong Man kam in dieser Umgebung besonders
kraftvoll rüber.
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