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Deep Purple: Bananas
(EMI Switzerland / CDP 000.775, Promo-CD, Juli 2003)

von Andree Schneider

Diese Band ist einfach unglaublich! Da verlieren sie mit Jon Lord den Maestro der Tasten schlechthin und hauen uns dann trotzdem ein richtiges Klasse-Album um die Rock`n`Roll-geplagten Ohren. Das erste Deep Purple-Studiowerk im 21. Jahrhundert ist wirklich ausgesprochen gelungen! Ich habe "Bananas" nun schon bestimmt an die 15 Mal gehört und kann immer noch nicht genug davon kriegen.
Zum ersten Mal seit langer Zeit haben die Fünf wieder mit einem Produzenten von außerhalb zusammen gearbeitet, was sich ganz offenbar ausgezahlt hat, denn die Band klingt wie aus einem Guss. Keine Angst - wenn die Stilvielfalt auf "Bananas" auch erstaunlich ist, so besteht dennoch vom ersten bis zum letzten Ton nie ein Zweifel daran, dass hier Deep Purple am Werk sind. Auf den typischen Bandsound hat der Produzentenwechsel keine große Auswirkung gehabt. Zwar klingt "Bananas" moderner als die beiden letzten Alben, was in erster Linie auf einige ungewöhnliche Keyboardsounds und Gesangseffekte zurückzuführen ist, aber trotz allem gilt: Die Orgel röhrt, der Bass donnert, das Schlagzeug groovt, die Gitarre schmettert und über allem liegt die unvergleichliche Stimme von Ian Gillan. Gerade Big Ian hört man deutlich an, dass er riesigen Spaß bei den Aufnahmen gehabt haben muss. Er klingt so locker, so entspannt, und er greift auch recht häufig zur Bluesharp - voll überzeugend!
Eines hat der Produzentenwechsel ganz deutlich bewirkt: Deep Purple klingen Dank der Mitwirkung von Michael Bradford eingängiger und man muss die Songs nicht zig mal hören, bevor sie sich einem erschließen. Seine Aufgabe bestand vermutlich darin, die guten Ideen der Band herauszufiltern und die Jungs in der Spur zu halten. Weniger ist nämlich manchmal mehr. Vergleiche mit alten Alben sind immer sehr gewagt, aber stilmäßig geht`s meiner Meinung nach in Richtung "Machine Head" - eingängig und virtuos zugleich.

"Bananas" ist das Sommerhardrock-Album par excellence, weil es einfach nur frisch und unverbraucht klingt und für gute Laune sorgt. Schon mit dem Opener "House Of Pain" machen Deep Purple dem Hörer deutlich: "Hey Leute, wir sind noch da. Mit uns muss man noch rechnen!" Ein richtig guter Hardrock-Song mit einem einprägsamen Refrain. Mit einigen mustergültigen hohen Schreien scheint uns Ian Gillan weismachen zu wollen, dass es die vergangenen 30 Jahre nicht gegeben hat.
Das zweite Stück "Sun Goes Down" beginnt mit düsteren, schweren Orgelklängen. Hier zeigen sich unsere Helden ungewohnt heavy. Der Refrain ist einfach nur genial und ziemlich mystisch. Don Airey spielt am Schluss ein sehr wildes Hammond-Solo. Geil! Apropos Don Airey: Insgesamt fällt auf, dass er die Hammond wesentlich agressiver spielt als Jon Lord. Das alte Schätzchen wird zum Teil ganz schön malträtiert. Don hat sich hervorragend in die Band eingefügt und wird von den Kollegen auch voll akzeptiert, denn er hat mit Sicherheit nicht weniger Solo-Parts als Steve Morse. Sowohl Steve als auch Don spielen sehr banddienlich. Keiner versucht sich in den Vordergrund zu spielen. Ein ebenso dezentes wie geniales Solo hier, ein feines Intro da, aber nie klingt`s auch nur ansatzweise aufdringlich. Hier ist eine echte Band am Werk.
Als dritter Song folgt die wunderschöne Ballade "Haunted", mit der Background-Sängerin Beth Hart und einem Streicher-Ensemble unter der Leitung von Paul Buckmaster, der laut Roger Glover unter anderem schon für Elton John gearbeitet hat. Super Nummer mit Ohrwurmqualitäten. Wie sagte doch kürzlich ein EMI-Mitarbeiter zu mir: "Endlich nochmal ein radiotauglicher Deep Purple-Song". Ich hoffe, "Haunted" findet seinen Weg in die Charts. Ohne Video-Clip dürfte es allerdings sehr schwer werden...

Zwischenfazit nach drei Songs: Drei echte Knaller!

"Razzle Dazzle" ist ein typischer Purple-Standard (für meinen Geschmack ein Hauch zu typisch) mit einem witzigen, gute Laune versprühenden Refrain und einem gelungenen Piano-Solo von Don.
"Silver Tongue" - Song Nr. 5 - ist dann wieder ein echtes Highlight. Hier klingen Purple erneut ungewöhnlich heavy. Gitarre und Bass pumpen was das Zeug hält. Ein sehr moderner Song, bei dem man einfach nicht still sitzen kann. Klasse!
Mit "Walk On" folgt eine extrem coole, bluesig angehauchte ruhige Nummer. Einmal mehr setzt Ian Gillan hier die Glanzlichter. Tja, was soll ich sagen, ein weiteres Highlight. So langsam wird`s unheimlich.
Song Nr. 7 ist "Pictures Of Innocence" und groovt wie Teufel. Auf eine relative verhaltene Strophe folgen eine fetzige Bridge und ein ebensolcher Refrain.
"I`ve Got Your Number" ist bereits bekannt von der vergangenen Tour. Hier kommen die Progressiv-Fans wohl am ehesten auf ihre Kosten. Mir persönlich ist das Stück zu kompliziert arrangiert. Aus den vielen verschiedenen Teilen hätte man auch zwei oder drei Songs machen können. Aber das ist natürlich Geschmacksache.
Eine ganz wunderbare Ballade ist "Never A Word". Nach einem ebenso langen wie schönen Instrumenalpart am Anfang singt Gillan mit soviel Feeling und Hingabe, dass einem vor Begeisterung die Haare zu Berge stehen...ok...sofern man noch welche hat und zudem über eine romantische Ader verfügt. Einziges Manko: Der Gesangspart ist zu kurz.
Beim rockigen Titelsong "Bananas" liefern sich Steve und Don ein wahnwitziges Duell. Man achte dabei mal auf den "kranken" Basslauf von Roger - vollkommen irre! Der Strophen-Rhythmus von Paicey ist auch ziemlich verrückt. Das Stück ist in der Tat voll Banane. Und das meine ich absolut positiv!
"Doing It Tonight" kommt mir irgendwie spanisch vor. Ich meine damit, dass Ian Gillan "spanisch" klingt. Hmmmmm..... hört`s euch einfach an. Ebenfalls `ne crazy-coole Nummer.
Das traumhafte Instrumentalstück "Contact Lost" bildet das Finale von "Bananas". Hier zieht Steve nochmal alle Register. Auch hieran kann ich nur eines bemängeln: Mit 1:30 ist der Song eindeutig zu kurz!

Deep Purple-Fans sind ja dafür bekannt, immer etwas ganz besonderes zu erwarten. "Bananas" hat meine Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern bei weitem übertroffen. Ich kann den beiden Ians, Roger, Steve und Don nur gratulieren. "Bananas" ist ein Album, das Spaß macht! Spaß macht auf mehr. Ich freue mich schon tierisch auf die Herbst-Tour!

House Of Pain (3:33)
Sun Goes Down (4:09)
Haunted (4:21)
Razzle Dazzle (3:27)
Silver Tongue (4:03)
Walk On (7:03)
Picture Of Innocence (5:11)
I`ve Got Your Number (5:59)
Never A Word (3:46)
Bananas (4:49)
Doing It Tonight (3:27)
Contact Lost (1:27)