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von Lars Wehmeyer
Die Verbindung zwischen Deep Purple und Montreux dürfte
wohl allgemein bekannt sein - hier wurde "Machine
Head" aufgenommen, und Deep Purples bekanntester Song
beschreibt, wie das Casino in Montreux abbrannte. So
gesehen ist es nur logisch, die Band als Headliner zum
40-jährigen Jubiläum des dortigen Jazzfestivals
nach Montreux einzuladen.
Auf der ersten DVD findet sich besagtes Abschlusskonzert des
2006er Jazzfestivals sowie als Bonusmaterial einige
Interviews mit den Deep Purple-Musikern. Von diesem Konzert
gibt es auch eine Audio-CD - dazu später mehr. Die
zweite DVD beinhaltet einen Auftritt von Deep Purple im
Londoner Hard Rock Cafe anlässlich dessen
Wiedereröffnung und der Veröffentlichung der CD
"Rapture Of The Deep".
Bild und Ton auf der ersten DVD sind einwandfrei, die
Bildregie und die vielen Kameras vermitteln eine sehr guten
visuellen Eindruck des Konzerts. Es gibt auch witzige
Einfälle bei der Kameraführung, wenn man
z.B. sieht wie die Kamera einem Fotohandy folgt und nur
dessen Display zu sehen ist. Insbesondere von Don Airey,
aber auch von Paicey sind schöne Einstellungen zu sehen
- so kann man etwa bei "Rapture Of The Deep"
beobachten, was passiert, wenn ein Trommler vom Schlage
eines Ian Paice einen Stick verliert...
Die Bandmitglieder spielen routiniert, wie man das von Ihnen
gewohnt ist - leider leider leider hat Ian Gillan aber einen
ganz schlechten Tag erwischt. Er wirkt angegriffen,
müde, bewegt sich wenig, macht kaum Scherze mit dem
Publikum und singt sehr konzentriert und
angestrengt. Trotzdem trifft er häufig die Töne
nicht, und seine Schreie hätte er an diesem Abend
lieber weglassen sollen. Man merkt während des ganzen
Konzerts, wie sich Gillan abmüht und quält. Die
Bonus-Interviews wurden am Tag des Auftritts geführt,
und man merkt auch hier, dass Gillan wohl stark
erkältet ist. Er hat kaum Stimme und es ist absolut
erstaunlich, wie dieser Mann trotzdem ein paar Stunden
später auf die Bühne steigt und seinen Job macht -
besonders bei "Wrong Man" und "Space
Truckin'", aber auch bei "When A Blind Man
Cries" haut er teilweise gnadenlos daneben. Bei
"Highway Star" presst Gillans so stark, dass seine
Stimme merkwürdig verzerrt klingt. Diese Scheibe wird
man sich wohl nur wegen der Bilder, nicht aber wegen des
Tons häufiger ansehen bzw. anhören.
Schade ist auch, dass es sich bei Deep Purple offenbar
eingebürgert hat, die früher zelebrierten und beim
Publikum sehr beliebten Duelle zwischen Gitarre und Orgel
wegzulassen. Alle Soli sind fein säuberlich getrennt,
nach einer Strophe ist Gitarren-, nach der nächsten
dann Orgelsolo angesagt. Das trägt deutlich dazu bei,
dass die Deep Purple-Konzerte heute statischer und weniger
spannend wirken. Der Vergleich mit der 1996er "Live At
Montreux"-DVD bietet sich natürlich an: von dem
"Zweikampf", den sich Steve und Jon etwa bei
"Speed King" liefern, ist im Jahre 2006 leider
nicht mehr allzuviel übrig.
Dann gibt es da noch ein paar technische
Auffälligkeiten: die Ansagen sind, besonders am Anfang,
sehr leise, so dass man Gillan kaum versteht. Man hat an
einigen Stellen das Gefühl, dass hier geschnitten wurde
- sicher ist das bei Don Aireys Solo: hier fehlt der
komplette zweite Teil, der auf der Audio-CD zu hören
ist. Auch nach "Hush" wird der Publikumsapplaus
abgekürzt, was der Livestimmung doch erheblich schadet
- der Eindruck, das Konzert so zu hören, wie es die
Zuschauer erlebt haben, ist damit weg.
Auf der Audio-CD ist das Konzert sogar noch schlimmer
nachbehandelt worden: die Ansagen fehlen (fast) komplett,
und obwohl hier das Orgelsolo ganz zu hören ist, wurde
das ausgedehnte und wunderschöne Gitarrensolo von Steve
Morse komplett herausgeschnitten. Liebe Leute von der
Plattenfirma: wenn man in den Siebzigern schon so darauf
bedacht gewesen wäre, die Zuhörer nicht mit langen
Soli zu langweilen, hätte es die "Made In
Japan" wohl nie gegeben. Auch die Zugaben fehlen auf
der Audio-CD komplett - wo "Live" draufsteht
sollte doch bitteschön auch live drin sein.
Zum Abschluss noch etwas Positives: das Jazz-Intro, das Deep
Purple vor "Smoke On The Water" anspielen, zeigt
wieder einmal die Wandlungsfähigkeit und das
musikalische Spektrum der Band. Wie die fünf einfach so
die Hardrock-Hymne überhaupt in ein Jazzgewand kleiden
ist schon faszinierend.
In den Bonus-Interviews erzählen die an "Machine
Head" beteiligten Musiker einmal mehr die
Entstehungsgeschichte von "Smoke On The Water",
lassen sich über Improvisationen auf der Bühne,
über Jon und Don sowie über die Planung des
bevorstehenen Konzerts aus. Die Interviewten sitzen dabei
teilweise in der grünen Landschaft um den Genfer See,
teilweise auf dem Hotelbalkon mit Natur im
Hintergrund. Etwas ärgerlich ist der Kopf, der sich bei
Rogers Erzählungen rechts unten im Bild bewegt, sowie
die Mikrofone, die man bei Paicey und Gillan im Bild sieht,
manchmal taucht auch eine zweite Kamera von rechts am
Bildrand auf. Paicey ist wegen vorbeifahrender Busse und
LKWs teilweise schlecht zu verstehen. So ewas ist einfach
unnötig und macht den ansonsten sehr guten Eindruck der
Interviews kaputt.
Soviel zur ersten DVD bzw. zur Audio-CD. Die zweite DVD
beinhaltet die "Hard Rock Show", die auf einer
kleinen Bühne im Londoner Hard Rock Cafe aufgehommen
wurde. Hier sind Bild und Ton nicht ganz auf dem Niveau des
Montreux-Konzerts, aber Ian Gillan ist deutlich besser in
Form - er wirkt entspannt, locker, singt nicht so
verkrampft, und die ganze Band macht einen entspannteren
Eindruck, was vielleicht auch an dem ungewohnt kleinen Saal
liegen mag. Der Mitschnitt dieses Konzerts verdient auch den
Untertitel "Live": Alle Songübergänge
sind komplett festgehalten, man sieht Gillan zwischen den
Songs aus der Wasserflasche trinken oder mit den anderen
über die Zugabe diskutieren. Die Orgel hat teilweise
einen etwas merkwürdigen Klang - es könnte sein,
dass es nicht das Instrument ist, das Don sonst spielt, da
es eine Glasrückwand besitzt.
Fazit: Gillans Stimme beim Konzert in Montreux ist
angegriffen, es fehlen sowohl auf der DVD als auch auf der
Audio-CD Teile des Konzertes, was schade ist. Die Interviews
sind schön gedacht, allerdings mit den erwähnten
Einschränkungen bei der Umsetzung. Das
Hard-Rock-Konzert ist deutlich besser als das
Montreux-Konzert - ob das allein allerdings als Kaufanreiz
für die Doppel-DVD ausreicht, muss wohl jeder selbst
entscheiden.
Der Untertitel der DVD/CD lautet "They all came down to Montreux" - Ian Gillan
singt seit 1972: "We all came out to Montreux". Ob das in
irgendeiner Weise ein Hinweis auf die Sorgfalt ist, mit der
diese DVD zusammengestellt wurde?
Nachtrag: Die japanische Version
der Audio-CD enthält wohl das komplette Konzert,
insbesondere auch den auf der deutschen Version fehlenden
Song "Perfect Strangers". Die Import-CD kann man
hier bestellen.
DVD-Paket:
Disc 1: Montreux 2006
Pictures of Home
Things I Never Said
Strange Kind Of Woman
Rapture Of The Deep
Wrong Man
The Well-Dressed Guitar
Kiss Tomorrow Goodbye
When A Blind Man Cries
Lazy
Keyboard Solo
Space Truckin'
Highway Star
Smoke On The Water
Hush
Too Much Fun
Black Night
Extra Features: Interviews
The Story of "Smoke On The Water"
Improvising
Jon Lord & Don Airey
Steve Morse
Montreux
A Special Concert
Ian Gillan's Voice
Steve Morse's Wrist
The Band and their Audience
Disc 2: Hard Rock Show
Fireball
I Got Your Number
Strange Kind Of Woman
Kiss Tomorrow Goodbye
Lazy
Rapture Of The Deep
Wrong Man
Perfect Strangers
Highway Star
Smoke On The Water
Audio-CD:
Pictures Of Home
Things I Never Said
Strange Kind Of Woman
Rapture Of The Deep
Wrong Man
Kiss Tomorrow Goodbye
When A Blind Man Cries
Lazy
Keyboard Solo
Space Truckin'
Highway Star
Smoke On The Water
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