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Deep Purple: Live At Montreux 2006
(Montreux Sounds/Eagle Vision, EREDV636, 2DVD, Deutschland, 08.06.2007)
(Montreux Sounds/Eagle Vision, EAGCD356, CD, Deutschland, 08.06.2007)

von Lars Wehmeyer

Die Verbindung zwischen Deep Purple und Montreux dürfte wohl allgemein bekannt sein - hier wurde "Machine Head" aufgenommen, und Deep Purples bekanntester Song beschreibt, wie das Casino in Montreux abbrannte. So gesehen ist es nur logisch, die Band als Headliner zum 40-jährigen Jubiläum des dortigen Jazzfestivals nach Montreux einzuladen.

Auf der ersten DVD findet sich besagtes Abschlusskonzert des 2006er Jazzfestivals sowie als Bonusmaterial einige Interviews mit den Deep Purple-Musikern. Von diesem Konzert gibt es auch eine Audio-CD - dazu später mehr. Die zweite DVD beinhaltet einen Auftritt von Deep Purple im Londoner Hard Rock Cafe anlässlich dessen Wiedereröffnung und der Veröffentlichung der CD "Rapture Of The Deep".

Bild und Ton auf der ersten DVD sind einwandfrei, die Bildregie und die vielen Kameras vermitteln eine sehr guten visuellen Eindruck des Konzerts. Es gibt auch witzige Einfälle bei der Kameraführung, wenn man z.B. sieht wie die Kamera einem Fotohandy folgt und nur dessen Display zu sehen ist. Insbesondere von Don Airey, aber auch von Paicey sind schöne Einstellungen zu sehen - so kann man etwa bei "Rapture Of The Deep" beobachten, was passiert, wenn ein Trommler vom Schlage eines Ian Paice einen Stick verliert...

Die Bandmitglieder spielen routiniert, wie man das von Ihnen gewohnt ist - leider leider leider hat Ian Gillan aber einen ganz schlechten Tag erwischt. Er wirkt angegriffen, müde, bewegt sich wenig, macht kaum Scherze mit dem Publikum und singt sehr konzentriert und angestrengt. Trotzdem trifft er häufig die Töne nicht, und seine Schreie hätte er an diesem Abend lieber weglassen sollen. Man merkt während des ganzen Konzerts, wie sich Gillan abmüht und quält. Die Bonus-Interviews wurden am Tag des Auftritts geführt, und man merkt auch hier, dass Gillan wohl stark erkältet ist. Er hat kaum Stimme und es ist absolut erstaunlich, wie dieser Mann trotzdem ein paar Stunden später auf die Bühne steigt und seinen Job macht - besonders bei "Wrong Man" und "Space Truckin'", aber auch bei "When A Blind Man Cries" haut er teilweise gnadenlos daneben. Bei "Highway Star" presst Gillans so stark, dass seine Stimme merkwürdig verzerrt klingt. Diese Scheibe wird man sich wohl nur wegen der Bilder, nicht aber wegen des Tons häufiger ansehen bzw. anhören.

Schade ist auch, dass es sich bei Deep Purple offenbar eingebürgert hat, die früher zelebrierten und beim Publikum sehr beliebten Duelle zwischen Gitarre und Orgel wegzulassen. Alle Soli sind fein säuberlich getrennt, nach einer Strophe ist Gitarren-, nach der nächsten dann Orgelsolo angesagt. Das trägt deutlich dazu bei, dass die Deep Purple-Konzerte heute statischer und weniger spannend wirken. Der Vergleich mit der 1996er "Live At Montreux"-DVD bietet sich natürlich an: von dem "Zweikampf", den sich Steve und Jon etwa bei "Speed King" liefern, ist im Jahre 2006 leider nicht mehr allzuviel übrig.

Dann gibt es da noch ein paar technische Auffälligkeiten: die Ansagen sind, besonders am Anfang, sehr leise, so dass man Gillan kaum versteht. Man hat an einigen Stellen das Gefühl, dass hier geschnitten wurde - sicher ist das bei Don Aireys Solo: hier fehlt der komplette zweite Teil, der auf der Audio-CD zu hören ist. Auch nach "Hush" wird der Publikumsapplaus abgekürzt, was der Livestimmung doch erheblich schadet - der Eindruck, das Konzert so zu hören, wie es die Zuschauer erlebt haben, ist damit weg.

Auf der Audio-CD ist das Konzert sogar noch schlimmer nachbehandelt worden: die Ansagen fehlen (fast) komplett, und obwohl hier das Orgelsolo ganz zu hören ist, wurde das ausgedehnte und wunderschöne Gitarrensolo von Steve Morse komplett herausgeschnitten. Liebe Leute von der Plattenfirma: wenn man in den Siebzigern schon so darauf bedacht gewesen wäre, die Zuhörer nicht mit langen Soli zu langweilen, hätte es die "Made In Japan" wohl nie gegeben. Auch die Zugaben fehlen auf der Audio-CD komplett - wo "Live" draufsteht sollte doch bitteschön auch live drin sein.

Zum Abschluss noch etwas Positives: das Jazz-Intro, das Deep Purple vor "Smoke On The Water" anspielen, zeigt wieder einmal die Wandlungsfähigkeit und das musikalische Spektrum der Band. Wie die fünf einfach so die Hardrock-Hymne überhaupt in ein Jazzgewand kleiden ist schon faszinierend.

In den Bonus-Interviews erzählen die an "Machine Head" beteiligten Musiker einmal mehr die Entstehungsgeschichte von "Smoke On The Water", lassen sich über Improvisationen auf der Bühne, über Jon und Don sowie über die Planung des bevorstehenen Konzerts aus. Die Interviewten sitzen dabei teilweise in der grünen Landschaft um den Genfer See, teilweise auf dem Hotelbalkon mit Natur im Hintergrund. Etwas ärgerlich ist der Kopf, der sich bei Rogers Erzählungen rechts unten im Bild bewegt, sowie die Mikrofone, die man bei Paicey und Gillan im Bild sieht, manchmal taucht auch eine zweite Kamera von rechts am Bildrand auf. Paicey ist wegen vorbeifahrender Busse und LKWs teilweise schlecht zu verstehen. So ewas ist einfach unnötig und macht den ansonsten sehr guten Eindruck der Interviews kaputt.

Soviel zur ersten DVD bzw. zur Audio-CD. Die zweite DVD beinhaltet die "Hard Rock Show", die auf einer kleinen Bühne im Londoner Hard Rock Cafe aufgehommen wurde. Hier sind Bild und Ton nicht ganz auf dem Niveau des Montreux-Konzerts, aber Ian Gillan ist deutlich besser in Form - er wirkt entspannt, locker, singt nicht so verkrampft, und die ganze Band macht einen entspannteren Eindruck, was vielleicht auch an dem ungewohnt kleinen Saal liegen mag. Der Mitschnitt dieses Konzerts verdient auch den Untertitel "Live": Alle Songübergänge sind komplett festgehalten, man sieht Gillan zwischen den Songs aus der Wasserflasche trinken oder mit den anderen über die Zugabe diskutieren. Die Orgel hat teilweise einen etwas merkwürdigen Klang - es könnte sein, dass es nicht das Instrument ist, das Don sonst spielt, da es eine Glasrückwand besitzt.

Fazit: Gillans Stimme beim Konzert in Montreux ist angegriffen, es fehlen sowohl auf der DVD als auch auf der Audio-CD Teile des Konzertes, was schade ist. Die Interviews sind schön gedacht, allerdings mit den erwähnten Einschränkungen bei der Umsetzung. Das Hard-Rock-Konzert ist deutlich besser als das Montreux-Konzert - ob das allein allerdings als Kaufanreiz für die Doppel-DVD ausreicht, muss wohl jeder selbst entscheiden.

Der Untertitel der DVD/CD lautet "They all came down to Montreux" - Ian Gillan singt seit 1972: "We all came out to Montreux". Ob das in irgendeiner Weise ein Hinweis auf die Sorgfalt ist, mit der diese DVD zusammengestellt wurde?

Nachtrag: Die japanische Version der Audio-CD enthält wohl das komplette Konzert, insbesondere auch den auf der deutschen Version fehlenden Song "Perfect Strangers". Die Import-CD kann man hier bestellen.

DVD-Paket:

Disc 1: Montreux 2006

Pictures of Home
Things I Never Said
Strange Kind Of Woman
Rapture Of The Deep
Wrong Man
The Well-Dressed Guitar
Kiss Tomorrow Goodbye
When A Blind Man Cries
Lazy
Keyboard Solo
Space Truckin'
Highway Star
Smoke On The Water
Hush
Too Much Fun
Black Night

Extra Features: Interviews
The Story of "Smoke On The Water"
Improvising
Jon Lord & Don Airey
Steve Morse
Montreux
A Special Concert
Ian Gillan's Voice
Steve Morse's Wrist
The Band and their Audience

Disc 2: Hard Rock Show

Fireball
I Got Your Number
Strange Kind Of Woman
Kiss Tomorrow Goodbye
Lazy
Rapture Of The Deep
Wrong Man
Perfect Strangers
Highway Star
Smoke On The Water

Audio-CD:

Pictures Of Home
Things I Never Said
Strange Kind Of Woman
Rapture Of The Deep
Wrong Man
Kiss Tomorrow Goodbye
When A Blind Man Cries
Lazy
Keyboard Solo
Space Truckin'
Highway Star
Smoke On The Water