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Flying Colors: Second Nature
(CD, Europa, 29. September 2014)
von Monika Schwarz

Als Flying Colors ihr erstes (selbstbetiteltes) Album veröffentlichten, stellten sich viele Fans die Frage, ob es sich hier um eine 'echte' Band, oder 'nur' um ein Neben-Projekt von bekannten Musikern neben deren jeweiligen Hauptbands (Deep Purple, Transatlantic, Winery Dogs etc.) handelte. Die Qualität von 'Flying Colors' sollte für Viele eine Beruhigung sein, und auch die nachfolgende Tour zeigte eine gut eingespielte, auf höchstem Niveau professionell agierende Band, die mit Spielfreude und viel Enthusiasmus zu Werke ging. Dementsprechend groß war dann auch die Erwartung, als mit 'Second Nature' ein Nachfolger zu 'Flying Colors' angekündigt wurde.

Einige Bemerkungen zu den Musikern: Nein, keine Sorge, ich gehe davon aus dass sie alle hinlänglich bekannt sind, und keiner eigenen Vorstellung mehr bedürfen. Aber ich möchte herausheben, was mir besonders auffällt:

Steve Morse spielt in gewohnt virtuoser Art und Weise. Was jedoch einen (für mich schwerwiegenden) Unterschied zu seinem 'Hauptjob' in Deep Purple ausmacht, ist, dass er wesentlich weniger Verzerrungseffekte verwendet, was seinen Sound klarer, und teilweise fast flötenähnlich werden lässt. Mitunter fühle ich mich tatsächlich an Brian May erinnert, und das ist absolut positiv gemeint.

Mike Portnoy liefert einen breiten Schlagzeugteppich, der immer interessant ist, aber niemals dominant wird. Dazu steuert er Hintergrundgesang bei, und ich für meinen Teil schätze seine etwas rauhe, kehlige Stimme überaus, da sie einen willkommenen Gegensatz zu denen von Casey McPherson und Neal Morse bietet.

Neal Morse ist für die Keyboards zuständig, bietet einige erstaunliche Soli und bestimmt mit seinem Spiel oftmals die Stimmung der jeweiligen Songs. Außerdem teilt er sich mit Casey die Gesangparts.

Casey McPherson ist die eigentliche 'Stimme' von Flying Colors. Er liefert all die Qualitäten, die schon vom ersten Album her bekannt sind, also Dramatik im Ausdruck, Falsettgesang, und nicht zu vergessen enorm starke Texte. Was mir aber auffällt ist, dass er diesmal weitgehend auf starkes Vibrato verzichtet. Ob das Absicht oder Zufall ist, ist mir nicht bekannt, aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich es vermisse.

Dave LaRues Basslinien scheinen auf den ersten Blick eher unauffällig, aber bei näherem Hinhören ist überdeutlich, was für ein solides und mitunter überraschendes Fundament er den jeweiligen Songs bietet. Sein Zusammenspiel mit Mike ist absolut makellos.

Die Songs der Reihe nach:

Open Up Your Eyes

Der Opener beginnt schlicht, mit einem Pianosolo, in das bald Schlagzeug und Gitarre einsetzen. Piano wechselt zu Keyboards, und das Tempo nimmt etwas Fahrt auf. Danach ein abrupter Wechsel in Rhythmus und Instrumentierung. Aber immer noch kein Gesang, und erst als man schon annehmen könnte, dass es sich um ein Instrumentalstück handelt, fällt auch Casey McPherson ein. Dieser Titel ist mit 12:24 der Längste des ganzen Albums, ist beinahe eine kleine Symphonie für sich, und er demonstriert damit auch gleich die Richtung, in die es weiterhin geht. Eben Prog in Reinkultur.

Mask Machine

Die erste Singleauskoppelung, und dies überaus zu Recht. Der Refrain ist extrem eingängig, und nach ein-oder zweimaligem Hören von absolut unwiderstehlicher Ohrwurmqualität. Allerdings ist es auch der 'düsterste' Titel, aggressiv, mit treibenden Drums und Saiten (sowohl die Hoch- als auch die Tieftönenden).

Bombs Away

Dieser Titel besticht mit seinem schleppenden Rhythmus, der unwiderstehlich zum Mitwippen verleitet, sowie mit einem Gitarrensolo, bei dem Steve Morse seine Qualitäten voll und ganz ausspielt.

The Fury Of My Love

Das erste 'Liebeslied', und die erste annähernde Ballade. Sparsame Instrumentierung, die Caseys Gesang um so dramatischer wirken lässt.

A Place in Your World

Mäandernde Keyboards, wunderbarer Harmoniegesang, hinreissende Tonartwechsel, ein absoluter 'Feel-Good' Song. Eine Textzeile lautet 'I surrender', und das ist es, was man hier einfach nur tun kann. Sich der Musik, den vielfältigen Harmonien ergeben, darin eintauchen und 'abheben'.

Lost Without You

Der kürzeste, und meines Erachtens nach 'unauffälligste' Titel des Albums. Damit soll nicht gesagt werden dass es der 'schlechteste' ist (davon gibt es überhaupt keinen auf dem Album!), sondern in einer Menge von außerordentlichen musikalischen Einfällen vielleicht das, was man am ehesten als 'gängig' bezeichnen könnte.

One Love Forever

Das Intro hat wiederum einen faszinierenden synkopischen Rhythmus, diesmal ähnlich zu Deep Purple's 'Aviator', der ja ursprünglich 'Highlander' geheißen hat. Also schottische Anklänge, die einmal mehr in vielstimmigem Gesang münden, wobei sich hier Casey und Neal die Haupt-Gesangsparts teilen. Steve glänzt wieder mit einem kurzen, aber äußerst prägnanten Gitarrensolo. War der Bass bislang an der Grenze zu unauffällig, so nimmt er hier einen einigermaßen dominanten Platz im Gesamtklang ein.

Peaceful Harbor

Diesen Titel könnte man ohne Weiteres 'Caseys Showcase' nennen. Er beginnt über schwebenden Keyboardklängen mit seinem typischen Falsett, zu dem sich kurz darauf eine akustische Gitarre gesellt. Die zweite Strophe übernimmt allerdings wiederum Neal, abgelöst von einem Gitarrensolo. Die Dramatik steigert sich immer mehr, bis schließlich ein ganzer Gospelchor einsetzt. Absolut wunderbar, und für mich der Höhepunkt des Albums. Auf eine eventuelle Liveaufführung darf man absolut gespannt sein.

Cosmic Symphony

Besteht aus drei Teilen - Still Life Of The World, Searching For The Air und Pound for Pound. Ähnlich wie in 'Open Up Your Eyes' sind auch hier die unterschiedlichsten melodischen Themen in einem Song verpackt, was diese beiden Titel zu einer Art thematischer Klammer und somit programmatisch für das Album werden lässt. Bemerkenswert ist ein rares Bass-Solo von Dave LaRue, was eigentlich schade ist, weil er ein so brillanter Techniker ist.

Mit diesem Album bekommt man neun Titel, von denen kein einziger als 'Füller' herhalten muss. Was um so bemerkenswerter ist, als dies der Band (Jawohl, die Jungs haben einmal mehr bewiesen dass dies eine Band, und nicht nur ein Projekt ist!) bereits zum zweiten Mal gelungen ist.

Was den Sound angeht: Der Gesamtklang ist kristallklar, jede Nuance, jeder Ton ist perfekt hörbar. Trotzdem entsteht kein steriler oder gar klinischer Eindruck. Im Gegenteil, der Gesamtklang kann durchaus als 'warm' bezeichnet werden, ein Kompliment an den Toningenieur, der das Album abgemischt hat!

Zusammenfassend muss gesagt werden, dass dieses Album sämtliche Erwartungen erfüllt, ja bei Weitem übertrifft. Was beim ersten Album Prog war, ist hier PROG, soll heißen, all die Qualitäten, die die Fans beim ersten Album überzeugten, sind hier vorhanden, und noch stärker als zuvor. Die Songs sind noch etwas länger, es gibt noch mehr Varietät bei der Instrumentation, noch mehr Tonartwechsel, einfach mehr von allem. Wer 'Flying Colors' mag, wird 'Second Nature' von Anfang bis Ende einfach nur lieben.