von Michael Höllen
Dieser Ritchie Blackmore - seit Jahrzehnten ist der
Gitarrenmeister immer wieder für eine Überraschung
gut. Hatte sich der Held der weißen Stratocaster bei Deep
Purple und der eigenen Formation Ritchie Blackmore's
Rainbow viele Jahre dem Hard Rock und Rock 'n Roll
verschrieben, war schon der Schritt des Saitenzauberers im
Jahr 1997 hin zu mittelalterlichem Musikstil mit
Blackmore's Night für viele Fans mehr als
gewöhnungsbedürftig. Und nun das: die Formation um
Candice Night und Ritchie Blackmore veröffentlicht in
Deutschland am 24.11.2006 eine CD mit traditionellen
Weihnachtsliedern: Winter Carols.
Etwas ungläubig greife ich zur CD und läute
heute 'meine Weihnachtszeit' des Jahres 2006 ein. Das
erste Stück 'Hark The Herald Angels Sing / Come All
Ye Faithful' startet schwungvoll mit Pauken und
Trompeten. Das Bild: das Fürstenpaar schreitet in gar
fürstlichem Gewande nebst Gefolge zur nicht enden
wollenden Speisetafel? Ich lausche den ersten Tönen
der CD und überlege, ob ich diese Melodie nicht vom
Bummel über den Weihnachtsmarkt kenne .... meine
Gedanken werden unterbrochen: Ritchies E-Gitarre
erklingt! Ein Weihnachtslied mit Ritchie Blackmore an der
Stratocaster? Ich finde die Strat-Passage als Überleitung
zwischen den beiden Songparts sehr gelungen. Ob das ein
kleiner Weihnachtsgruß an die Hardrock-Fans früherer
Zeiten sein soll? Oder gibt es gar weitere Songs auf der
Scheibe, bei denen Ritchie zur E-Gitarre greift?
Bei dem zweiten Song 'I saw three Ships' - ebenfalls recht
schwungvoll - handelt es sich um eine traditionelle Weise,
bei der wohl mittelalterliche Instrumente wie Whistles zum
Einsatz kommen. Das Finale ist dann aber Ritchies
akustischer Gitarre vorbehalten.
Nun kommt der 'Winter'. Der Song auf akustischer Gitarre
mit Keyboards im Hintergrund würde auf jede
'normale' BN-CD sehr gut passen. Ein Blick in das
CD-Cover verrät dann auch: hier war Ritchie Blackmore
am Werk - KLASSE !
Ding Dong Merrily On High - jetzt wird es richtig
weihnachtlich! Ganz leise beginnt das Spiel der Gitarre -
einfach toll! Candice' Stimme fügt sich sanft zur
bekannten Melodie Gloria Hosanna in Excelsis hinzu.
Langsam steigert sich die Stimmung - die Sisters of the
Moon kommen hinzu und orchestrale Stimmen verstärken
zusätzlich den Sound. Irgendwie erinnert mich die
Dramaturgie beim ersten Hören an Child in Time - nur
halt anders ;-) . Diesen Song sollte man sich in jedem
Fall einmal in Ruhe mit einem guten Kopfhörer
gönnen. Diese Stimmen, diese Gitarre - ich bin
restlos begeistert !
Mit Ma-O-Tzur geht es traditionell auf der akustischen
Gitarre weiter: glockenklar - sanft - weihnachtlich -
einfach nur schöööööön. Wer
die Geyers als Vorgruppe von Blackmores's Night schon
gehört hat, könnte vermuten, dass die Jungs im
nächsten Song (Good King Wencelas) mit im Spiel
sind. Der zweite Teil des Songs leitet dann aber über
zum typischen Mittelalter-BN-Sound.
Beschwingt und heiter geht es im Stil vom Blackmore's
Night weiter mit Lord of the Dance / Simple Gifts. Gute
Laune, Flöte, Pipes und Tanz im Rittersaal - das
Mittelalter lebt.
Sanfte Töne der Keyboards erklingen - wäre es
eine normale BN-CD, wäre bei 'We three kings' auch
eine Strat nicht ausgeschlossen - aber nein, Ritchie
bleibt bei diesem Stück bei der akustischen
Gitarre. Dafür ziehen die anderen Musiker alle
Register, füllen den Song zu einem mächtigen
Sound.
Bei dem nun folgenden Coversong 'Wish you were here'
handelt es sich um einen Griff ins Archiv. Ich bedauere,
dass die schon etwas ältere BN-Version dieser Version
leider nie im Radio zu hören ist. Die Stimme von
Candice und Ritchies E-Gitarre (!) geben dem Song eine
eigene und ganz individuelle Note.
Leise zupft Ritchie zu Beginn von 'Emmanuel' an den
Saiten. Candice singt sehr gefühlvoll und mit gewohnt
klarer Stimme. Ein Flötenpart erinnert mich an
isländische Weisen und Ritchies akustische
Begleitung glänzt mit vielen unglaublichen Details.
Ritchie Blackmore wäre nicht Ritchie Blackmore, wenn
das neue Album nicht mit einem Kontrast enden
würde. Christmas Eve ist der vielleicht neueste
Weihnachtssong auf unserem Planeten (Blackmore's Night
2004). Candice Night und Ritchie Blackmore haben eine
eingängige Melodie komponiert, verspielt, romantisch
und ganz einfach unbeschwert.
Der Kontrast: eine ganz und gar traditionelle Weise setzt
den Schlusspunkt unter Winter Carols: We wish you a merry
christmas (and a happy new year).
Dem habe ich nichts hinzuzufügen!
Michael Höllen
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