Re: Was ist denn jetzt los ?!


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Abgeschickt von Karl-Heinz am 11 Mai, 2013 um 14:56:43

Antwort auf: Was ist denn jetzt los ?! von Christian Gerken am 11 Mai, 2013 um 08:54:51:

Meine Kritik zum Album, nach mehrmaligen intensiven Hören.

Präambel:
Zunächst einmal muss ich vorausschicken, dass ich wusste, worauf ich mich einlasse.

Ich habe eine Album erwartet,

- das nicht 1972, sondern 2013 aufgenommen wurde,
- das aktuell klingt und nicht nostalgisch
- auf dem nicht Blackmore und Lord spielen, sondern Morse und Airey.
- auf dem die Bandmitglieder nicht mehr 25, sondern Mitte bis Ende 60 sind.
- kein Heavy Metal, sondern ein Rock'n'Roll Album wird
- auf dem Deep Purple nicht das spielen werden, was die unterschiedlichen Fangruppierungen erwarten, sondern das, worauf sie gerade Lust haben
- die Stücke dem derzeitigen stimmlichen Möglichkeiten Ian Gillan's angepasst sind.
- das kommerziell genug ist, um die Aufwendungen zu ersetzen und auch noch ein wenig daran zu verdienen.

Kritik:
Nach meine Erwartungen bin ich sehr postiv überrascht worden. Denn ich habe nicht erwartet,dass es so abwechslungreich wird, so gut produziert und so voller Überraschungen.

Ich möchte ausnahmsweise mal nicht auf die einzelnen Songs eingehen, aber vielleicht ein wenig auf die Musiker.

Don Airey bekommt deutlich mehr Freiraum, als Jon Lord auf "Purpendicular" oder "Abandon" und sogar noch mehr als "Airey" auf "Bananas" und "Rapture".
dadurch klingt das Album mehr nach Purple als die Alben davor. Vor allen Dingen die Hammondsolo (z. B. auf "Hell To Pay" oder "A Simple Song".
Anderseits lässt man ihm auch die Möglichkeit dem ProgRock und Jazz zu fröhnen, die wir ja teilweise von seinen Soloalben und von "Colosseum II" kennen. Don Airey ist eben nicht der klassische Hammondspieler. Diese spielt er für die Fans,für den Sound von Deep Purple. Es ist aber wohltuend, dass er sich endlich traut, auch so zu spielen, dass er Spaß daran hat.
Aber wenn er zur Hammond greift, dann spielt er auf "Now What?!" gnandenlos. Höhepunkt ist das Orgelsolo auf der Album-(!)Version von "Hell To Pay" - ein schaurig schöne Hommage an Jon Lord. Ich hoffe, dass sie es auch live so spielen werden.
Don Airey ist total aufgeblüht, für mich die beste Keyboardarbeit bei Deep Purple seit "Perfect Strangers".

Steve Morse spielt wohltuend zurückhaltend. Er hat durchaus seinen Anteil am Album, versucht aber anders als bei den letzten Alben den Sound etwas banddienlicher zu gestalten. So ist er im Rhythmus teilweise recht bluesy und grollend, so wie man es bei Purple hören möchte. Seine schnellen, typischen Läufe nutzt er wesentlich seltener als auf den letzten Alben. Vor allen Dingen bei "Uncommon Man" und im Solo von "First Sign Of Madness" kommen diese aber doch noch zum Vorschein. Das Solo in "All The Time In The World" ist perfekt eingebaut, bravourös.

Ian Gillan hat meines Erachtens sein bestens Gesangswerk seit "The Battle Rages On" abgelegt, vielleicht sogar noch besser. Er hat erkannt , wo seine Grenzen liegen und hat sich statt dessen daruf verlegt sauber zu klingen. Auch wenn einige es als zu sauber, technisch nachbearbeitet oder gar gebremst empfinden - ich finde es gerade richtig so. Perfekt. Lediglich bei "Vincent Price" könnte die Stimme ein wenig mehr im Vordergrund sein.

Roger Glover spielt einen sehr abwechlsungsreichen und messerscharfen Klangteppich, der nie aufdringlich klingt, aber immer perfekt zum Song passt. Einige Sachen sind sehr ungewöhnlich und interessant gespielt.

Ian Paice ist (mal wieder) für mich der heimliche Star. Vor allen Dingen, wenn man sich die Sachen unter Kopfhörer anhört merkt man, wie perfekt und groovend er klingt. Meines Erachtens spielt er sogar etwas raffinierter als auf den letzten Alben. Selbst, wenn er einmal etwas sparsamer spielt, klingt gerade diese Sparsamkeit so gigantisch. Keine Ahnung, wie er das macht.

Gastmusiker:
Oh ha, da machen doch tatsächlich ein zustzlicher Keyboarder, ein Percussionist, ein Steelguitarplayer und ein Chor mit. Now What?!

Ich bin überzeugt, dass der Keyboarder nur für ein paar Fills dabei ist, um das Aufnhemen mehrerer Spuren zu vermeiden, da sie Liveathmosphäre schaffen wollten. Den Percussionisten mache ich kaum aus und die Steelgitarre bei zwei Songs finde ich einfach nur genial. Den dürfen sie auch gern live dabei haben. Die Albumversion von "All The Time In The World" prfitiert von der Steelguitar.

Sound:
Der Sound ist so, wie ich ihn mag. Endlich mal wieder richtig Stereo. Ezrin hat einen tollen Job gemacht. Der Sound ist irgendwie 70s und trotzdem modern. Vielleicht eines der größten Pluspunkte des Album. Für mich die beste Produktion seit "Come Taste The Band".

Cover:
Eigentlich sehr enttäuschend, außer der obigatorischen Widmung an Jon Lord. So dachte ich wenigstens zunächst. Andererseits ist es eine Idee (irgendwelcher Marketingleute) die neugierig macht und die sicherlich auf die Verkaufszahlen Einfluss genommen hat. Klar strukturiert ohne Firlefanz. Kein Heavy Metal Drachen-/Blutcover, sondern eher modern. Now What?!
Mittlerweile kann ich mit dem Cover gut leben und hätte wohl auch keine bessere Idee.

Die besten Sachen:
Höhepunkt für mich der Break mit dem Hammondsolo in "Hell to Pay", dass aus einer fast zu typischen Rock-Hymne ein raffiniertes Rockmonument macht. Die Radioversion des Songs sollte man ganz schnell vergessen.
"Vincent Price", dass einmal so ganz anders klingt und irgendwie in Richtung Alice Cooper geht, ist einfach nur genial. "Bodyline", dass mir anfänglich gar nicht gefiel und mittlerweile für mich nur noch cool ist, gewinnt bei mir täglich. My oh my, oh my oh my.
Gut gewählten Bonustracks, die zeigen, worauf Purple wirklich stehen (wären beide live sehr gut).

Schwachpunkte:
Kein Song der zum Erkennungszeichen wird, wie "Child In Time", "Knocking At Your Backdoor", "The Battle Rages On" oder sogar "Rapture Of The Deep". Schade, der Klassiker auf dem Album fehlt eindeutig.
Meines Erachtens zu wenig live taugliche Songs.

Einw weiterer Schwachpunkt ist für das Intro zu "Uncommon Man", dass für mich so ein typisch langweiliges Morse-Instrumental ist, genau wie die Gitarrenarbeit in dem Song. Schade, für mich schmälert der Song die ansonsten gute Leistung von Steve Morse, bei dem ich mittlerweile doch die Überzeugung gewinne, dass er bei aller Leistung ein stilistisch stark limitierter Gitarrist ist.

Fazit:
Eine hervorragende Platte, die so abwechslungsreich wie "Fireball" ist, mit hervorragenden aufgelegten Musikern, das modern und doch irgendwie nach Purple klingt. Die Stärke von Deep Purple ist es schon immer gewesen, sich ständig neu zu erfinden. Es gibt keinen "Deep Purple" Stil. "In Rock", "Fireball" und "Machine Head" waren drei grundverschiedene Alben - wie auch Now What?! wieder etwas völlig anderes ist.

Mein Tipp:
Das ganze Album unbedingt in RUHE unter Kopfhörer geniessen. Man endeckt dabei noch so viel und ist hinterher wirklich der Welt entrückt.

Karl-Heinz



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